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Urlaub

Urlaub im gekündigten Arbeitsverhältnis

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Urlaub

Viele Arbeitgeber nutzen regelmäßig die Möglichkeit, dem Arbeitnehmer durch eine vorsorgliche Erklärung der Freistellung nach Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung Urlaub für den Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung zu gewähren. Diese Möglichkeit hat das BAG jedoch im letzten Jahr eingeschränkt (BAG v. 10.02.2015 – 9 AZR 455/13). Danach kann ein Arbeitgeber durch eine Freistellungserklärung nach einer fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung seinem Arbeitnehmer nur dann wirksam Urlaub gewähren, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder ihm vorbehaltlos zusagt. Was heißt das für die Praxis?

Was hat das BAG entschieden?

Das BAG hat seine jahrelange Rechtsprechung, wonach ein Arbeitgeber Urlaub auch vorsorglich für den Fall gewähren kann, dass eine von ihm erklärte Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat (vgl. BAG v. 14.08.2007 – 9 AZR 934/06), aufgegeben. Nach alter Rechtslage stand der vorsorglichen Urlaubsgewährung nicht entgegen, dass bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzrechtsstreit offen ist, ob der Arbeitgeber Urlaubsentgelt oder Urlaubsabgeltung schuldet. Mit der Entscheidung vom 10.02.2015 hat das BAG allerdings angenommen, dass die Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub neben der Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung auch die Zahlung der Vergütung erfordere. Es genüge gerade nicht, wenn der Arbeitnehmer lediglich nicht zu arbeiten braucht – die Freistellung müsse vielmehr auch bezahlt sein. Deshalb gewähre ein Arbeitgeber durch die Freistellungserklärung in einem Kündigungsschreiben nur dann wirksam Urlaub, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahle oder vorbehaltlos zusage. Um eine Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsentgeltansprüchen zu verhindern, müssen Arbeitgeber also ihre bisherige Praxis der vorsorglichen Freistellungserklärung an die neue Rechtsprechung anpassen.


Freistellungserklärung und Zahlung der Urlaubsvergütung durch den Arbeitgeber

Arbeitnehmer und Arbeitgeber stritten in dem vom BAG zu entscheidenden Rechtsstreit nach Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses um einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung. In der Kündigungserklärung hieß es: „Im Falle der Wirksamkeit der hilfsweise fristgemäßen Kündigung werden Sie mit sofortiger Wirkung unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Überstundenansprüche unwiderruflich von der Erbringung Ihrer Arbeitsleistung freigestellt.“ Das BAG sah hierin keine wirksame Urlaubsgewährung. Zwar sei die Freistellung – zumindest bedingt – erklärt worden. Allerdings sei der Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz nicht allein auf die Freistellung von der Arbeitsleistung gerichtet. Nach § 1 BUrlG hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Zur Erfüllung dieses Anspruchs genüge es daher nicht, dass der Arbeitnehmer in der Zeit des Urlaubs nicht arbeiten muss. Das Gesetz verlange vielmehr, dass die Zeit der Freistellung von der Arbeit „bezahlt“ sein muss. § 1 BUrlG entspreche insoweit der Regelung in Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie und sei damit einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich. Daraus folge, dass ein Arbeitgeber durch die Freistellungserklärung in einem Kündigungsschreiben nur dann wirksam Urlaub gewährt, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs entweder zahlt oder jedenfalls vorbehaltlos zusagt. Mit Zugang der bedingten Freistellungserklärung des Arbeitgebers sei dem Arbeitnehmer nämlich nicht klar, ob eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung besteht, von der eine Befreiung möglich ist.

Das gelte jedenfalls für den Anteil des Jahresurlaubs, der zwischen der fristlosen Kündigung und dem Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist entsteht. In Bezug auf den bis zum Zugang der außerordentlichen Kündigung entstandenen Urlaubsabgeltungsanspruch enthält das Urteil des BAG eine weitere Besonderheit. So folge der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht mehr den Regeln des Urlaubsanspruchs. Dementsprechend müsse der Arbeitnehmer nicht stets davon ausgehen, dass die Leistung zur Erfüllung des Urlaubsabgeltungsanspruchs zugleich auch der Erfüllung eines Anspruchs auf Urlaubsentgelt dienen soll. Vielmehr bedürfe es regelmäßig einer (hilfsweisen) Tilgungsbestimmung entsprechend § 366 Abs. 1 BGB.

Bewertung der Entscheidung

Das BAG hat mit seiner Entscheidung die Kritik aus der Instanzrechtsprechung (z.B. LAG Berlin v. 07.03.2002 – 7 Sa 1648/01) aufgegriffen, es sei bei einer bedingten Urlaubserteilung für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigung für den Arbeitnehmer nicht hinreichend klar, ob er Erholungsurlaub habe oder nicht. Konsequenz dieses Schwenks ist aber: das BAG legt das Risiko der Unsicherheit des Ausgangs des Kündigungsschutzverfahrens nunmehr auch hinsichtlich des Urlaubs einseitig der Arbeitgeberseite auf.

Folgen für die Praxis

Um neben dem drohenden Annahmeverzugslohn jedenfalls das Risiko der Zahlung von künftigen Urlaubsabgeltungsansprüchen zu verhindern, sollten Arbeitgeber nach Ausspruch einer außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung (losgelöst von dem vom BAG entschiedenen Fall) darauf achten, gegenüber dem Arbeitnehmer eine unwiderrufliche Freistellung vorsorglich für den Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung nur in der Form zu erklären, dass gleichzeitig die Urlaubsabgeltung für den Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung als Urlaubsentgelt gezahlt und als solches hiermit ausdrücklich zugesagt wird. Ob dieser Hinweis ausreichend ist, hängt maßgeblich davon ab, was das BAG als „vorbehaltlos“ begreift: frei von jeder Bedingung oder – was u.E. nahe liegt – frei von zusätzlichen Bedingungen jenseits des Vorbehalts hinsichtlich der Wirksamkeit der Kündigung. Hier werden weitere klarstellende Entscheidungen erforderlich sein, bis Rechtssicherheit gegeben ist.

KLIEMT.Arbeitsrecht




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