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Betriebsrat

Weiterbildung 4.0: Betriebsratsrechte beim Einsatz von E-Learning

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In der HR-Praxis macht eine neue Form der Arbeitnehmer-Weiterbildung vermehrt die Runde: das webbasierte E-Learning. Zwar werden schon lange digitale Medien zur Arbeitnehmerweiterbildung eingesetzt. Durch die Zunahme vernetzter und webbasierter Arbeitsplätze haben E-Learning Angebote aber erst jetzt im Rahmen von Industrie 4.0 richtig Konjunktur. Neben der bloßen Anzahl der Anbieter ist auch die Qualität der Angebote deutlich gesteigert worden, indem Schulungsinhalte nicht nur in Textformat vermittelt werden, sondern multimediale Unterstützung erfahren.

Vorteile der E-Learning Programme

Die Vorteile der Lösung leuchten unmittelbar ein: Arbeitnehmer können zu jeder Zeit, an einer Vielzahl von Orten, wann immer es zum Arbeitsablauf passt oder sie die nötige Ruhe finden, an den vom Arbeitgeber angebotenen Fortbildungen teilnehmen – und diese auch wieder unterbrechen. Neben der kapazitätsorientierten Ausrichtung bringt das E-Learning noch den Vorteil, dass Reise- und Übernachtungskosten sowie aufwendige Seminargebühren entfallen. Zudem hat der Arbeitgeber eine jederzeitige Kontrolle über die Schulungsinhalte und deren Qualität.

Mindestens genauso wichtig ist aber, dass dem Arbeitgeber der Nachweis einer (erfolgreichen) Durchführung von Schulungen möglich ist. So beinhalten E-Learning Angebote häufig kurze Tests oder Aufgaben, um die Vermittlung neuen Wissens auch kontrollieren zu können. Dies ist immer dann von besonderer Bedeutung, wenn den Arbeitgeber bestimmte Aufklärungspflichten treffen und er sich freizeichnen möchte. Unter diesem Aspekt sind E-Learning-Angebote für AGG- oder Compliance-Schulungen oder zur Vermittlung notwendiger Arbeitsschutzvorgaben von besonderem Interesse. Wo ein solcher Zweckbezug besteht, ist die Datenspeicherung der erfolgreichen Teilnahme nach dem BDSG gerechtfertigt.

Schließlich kommt die Form des neuen Lernens in benutzerfreundlichen Häppchen und unter Nutzung abwechslungsreicher Einspielungen der Attention Span vieler Internetnutzer entgegen – ganz nach dem Motto: „say it quickly, say it well“.


Beteiligungsrechte des Betriebsrats

Wenn Arbeitgeber nun glauben, die Ideallösung für die Arbeitnehmerfortbildung gefunden zu haben, haben sie die Rechnung möglicherweise ohne den Wirt gemacht – will sagen: in mitbestimmten Betrieben hat der Betriebsrat ein Wörtchen mitzureden.

Hinsichtlich des Umfangs der Beteiligungsrechte ist zwischen der Einführung einer E-Learning-Plattform und den konkreten Schulungsangeboten zu differenzieren. Bei der Einrichtung der webbasierten Schulungsplattform ist der Betriebsrat zwingend zu beteiligen, da personenbezogene Daten der Arbeitnehmer betroffen sind, deren Auswertung eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle ermöglicht (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG). Könnte der Arbeitgeber ungehindert auf die Nutzungs- und Inhaltsdaten zugreifen, hätte er über die Log-Files eine Kontrollmöglichkeit über das Ob, den Zeitpunkt und die Nutzungslängen der Teilnahme. Er könnte zudem über die Auswertung, wie häufig Tests nicht bestanden wurden, Schulungen wiederholt werden mussten oder einzelne Themen gar nicht gemeistert wurden, ein Leistungsprofil des Arbeitnehmers erstellen.

Das Mitbestimmungsrecht kann auch nicht dadurch unkompliziert erledigt werden, dass der Arbeitgeber auf jede Form der Kontrolle sowie der disziplinarische Verwertung gewonnener Daten grundsätzlich verzichtet und sich nur bei erheblichen Vertragsverletzungen ein anderes Vorgehen offenhält. Dieser Weg wird bei der Einrichtung anderer IT-Systeme häufig gewählt und nicht selten von Anbietern von E-Learning-Plattformen vorgeschlagen. Ein solcher Ansatz ist beim E-Learning aber zu kurz gegriffen. Da das E-Learning gerade auch der Kontrolle einer Teilnahme und in den genannten Fällen einem weitergehenden Nachweis dient, muss die Leistungs- und Verhaltenskontrolle in einer Betriebsvereinbarung im Einzelnen ausgestaltet werden.

So bietet es sich an, zwischen den Inhalts- und Teilnahmedaten zu differenzieren: Mit Ausnahme weniger Einzelfälle werden die Benotung von Tests oder die Anzahl der erfolglosen Anlaufversuche nicht von Interesse sein; dagegen sollte sich der Arbeitgeber hinsichtlich notwendiger Schulungsinhalte, z.B. zum Arbeitsschutz, den Nachweis über die erfolgreiche Teilnahme der namentlich benannten Arbeitnehmer vorbehalten. Der Zugriff auf Meta-Daten wiederum wird auf die Fälle einer missbräuchlichen Nutzung oder erheblichen Vertragsverletzung reduziert werden können. Zudem bietet sich eine klare Beschränkung der Zugriffsberechtigung auf die kontrollrelevanten Daten an.

Geht es sodann um die Frage, welche konkreten Schulungen über die E-Learning Plattform angeboten werden, kommt eine Beteiligung des Betriebsrats je nach Schulungsinhalt und Ausgestaltung unter weiteren ganz unterschiedlichen Mitbestimmungstatbeständen (wie auch sonst bei Fortbildungsmaßnahmen) in Betracht:

  • Generelle Beteiligungsrechte zur Ausgestaltung beruflicher Bildungsangebote, vgl. §§ 96 ff. BetrVG;
  • Beteiligung aufgrund der Begrenzung des Teilnehmerkreises nach bestimmten Auswahlkriterien, wobei sich dieses Problem bei E-Learning-Angeboten eher selten stellt, §§ 94, 98 BetrVG;
  • Beteiligung aufgrund des konkreten Inhalts der Schulung, z.B. Schulung zur Unfallverhütung, § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (vgl. VG Köln, Beschluss vom 25. August 2014 – 33 K 1231/14.PVB, wonach der Personalrat bei der Einführung einer „elektronischen Lernplattform für Selbstsicherer“ unter dem Aspekt einer Maßnahme zur Verhütung von Gesundheitsschäden, Dienst- und Arbeitsunfällen zu beteiligen ist, § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG);
  • spezifische Ausgestaltung einer Kontrollmöglichkeit und eines Zugriffs auf die Ergebnisse eines E-Learning-Tests, § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.

Die Einführung des E-Learning sowie die Regelabläufe zu einzelnen Programmen sollten in Form einer Rahmenbetriebsvereinbarung geregelt werden. Auf diese Weise können die Plattform selbst und eine damit verbundene Datennutzung rechtmäßig verankert werden. Zudem können unkomplizierte Informations- und Beteiligungsrechte hinsichtlich der einzelnen auf der Plattform zu nutzenden Bildungsangebote gestaltet werden. Letztlich ist jedoch entscheidend, den Betriebsrat von dem Konzept des E-Learnings zu überzeugen, um dieses möglichst umfassend und praxistauglich umsetzen zu können.

Prof. Dr. Barbara Reinhard

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Partner
Barbara Reinhard berät Unter­neh­men ins­be­son­dere in kol­lek­tiv­recht­li­chen Ange­le­gen­hei­ten wie etwa Restruk­tu­rie­run­gen, Sanie­rungs­ta­rif­ver­trä­gen, alternativen Mit­be­stim­mungs­struk­tu­ren sowie betrieb­li­chen Mit­be­stim­mungsthemen zu Arbeitsschutz-, Arbeits­zeit- und Ver­gü­tungs­mo­del­len. Sie ist darüber hinaus renommierte Expertin im Arbeit­neh­mer-Daten­schutz­recht sowie in Fra­ge­stel­lun­gen zur arbeits­recht­li­chen Com­p­li­ance und Betrieb­li­chen Alters­ver­sor­gung. Zudem unterstützt sie Organ­mit­glie­der in Trennungs- und Anstellungsprozessen. Barbara Reinhard ist Autorin zahlreicher Fachbeiträge und hält regelmäßig Vorträge. Sie ist Mitglied der Fokusgruppe "Private Equity / M&A".
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