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Mutterschutz / Elternzeit

Reform des Mutterschutzes – was ist neu?

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Reform des Mutterschutzes

Zum 1. Januar 2017 soll das neue Mutterschutzgesetz in Kraft treten und nicht nur die veralteten Vorgängerreglungen, sondern auch die Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz ersetzen. Die erste Beratung des Entwurfs im Bundestag fand am 6. Juli 2016 statt. Die als grundlegende Reform angepriesene Gesetzesänderung bringt vor allem eine Neuordnung und sprachliche Neufassung der gesetzlichen Regelungen mit sich, jedoch nur wenige wesentliche inhaltliche Änderungen. Wir machen Sie mit den wichtigsten Regelungen vertraut.

Überblick über die wesentlichen Änderungen

Das seit der Nachkriegszeit kaum geänderte Mutterschutzgesetz (MuSchG) soll einer grundlegenden Reform unterzogen und mit dem vorliegenden Entwurf auf den Stand der Zeit und der neuesten Erkenntnisse der Gesundheitswissenschaft gebracht werden. Die Regelungen der Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz (MuSchArbV) werden in das Gesetz integriert, womit eine grundlegende Änderung der Systematik und Struktur des Gesetzes verbunden ist.

In weiten Teilen übernimmt das neue MuSchG den Regelungsgehalt des bisherigen Gesetzes mit hauptsächlich sprachlichen und/oder redaktionellen Anpassungen. Der Anwenderfreundlichkeit und sprachlichen Klarheit dient dies nur bedingt. Neuerungen bestehen vor allem in der Einbeziehung von Schülern und Studierenden, der Anpassung der Schutzfristen nach der Geburt eines behinderten Kindes und der Schaffung eines Kündigungsschutzes bei Fehlgeburten. Weiter sind eine Neufassung der mutterschutzrechtlichen Gefährdungsbeurteilung, eine Flexibilisierung im Bereich Nachtarbeit und Sonn- und Feiertagsarbeit sowie eine Lockerung der Auslegungspflicht des Arbeitgebers geplant. Durch die Anpassung an unionsrechtliche Vorgaben ergeben sich zum Teil neue Unklarheiten, wie etwa bei der Ausweitung des Kündigungsschutzes auf Vorbereitungshandlungen. Es bleibt abzuwarten, ob diese Unzulänglichkeiten im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses behoben werden.


Begrifflichkeiten

Modernisiert – und nun geschlechtsneutral – definiert das Gesetz Frau im Sinne des MuSchG als „jede Person, die schwanger ist oder ein Kind geboren hat oder stillt, unabhängig von dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen Geschlecht.

Anwendungsbereich: erstmals auch Schülerinnen und Studentinnen einbezogen

Der Gesetzesentwurf sieht erstmals auch Mutterschutz für Schüler, Studierende, Teilnehmer des Bundesfreiwilligendienstes, Entwicklungshelfer und Praktikanten iSd. § 26 BBiG vor. Nach langen Diskussionen über die Erweiterung des Anwendungsbereichs auf Schülerinnen und Studentinnen sollen die Betroffenen als Kompromiss nun selbst entscheiden können, ob sie den Mutterschutz in Anspruch nehmen oder stattdessen Pflichtveranstaltungen und Prüfungen absolvieren möchten.

Verlängerte Schutzfrist nach der Geburt behinderter Kinder

Die Frist für den Mutterschutz soll grundsätzlich auch nach der Gesetzesreform weiterhin sechs Wochen vor der Entbindung beginnen und acht Wochen danach enden. Frauen, die ein behindertes Kind zur Welt bringen, haben künftig Anspruch auf einen verlängerten Mutterschutz von 12 statt 8 Wochen nach der Geburt. Bislang galt diese verlängerte Schutzfrist nur bei Früh- und Mehrlingsgeburten.

Kündigungsschutz auch bei Fehlgeburten

Neu eingeführt wird der Kündigungsschutz von vier Monaten auch bei einer nach der zwölften Woche der Schwangerschaft erlittenen Fehlgeburt. Diese Situation erfasst das geltende Recht bislang nicht, die nach altem Recht erforderliche (und nur schwer vermittelbare) Abgrenzung von Fehl- und Totgeburten erübrigt sich künftig.

Ausweitung des Kündigungsschutzes auch auf Vorbereitungshandlungen?

Die Reichweite des mutterschutzrechtlichen Kündigungsverbots soll „klarstellend“ an die Vorgaben der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 11. Oktober 2007, Paquay ./. Société d’architectes Hoet + Minne SPRL“, C-460/06) angepasst werden. Die geplante Neuregelung in § 16 Abs. 1 S. 3 MuSchG n.F. geht ihrem Wortlaut nach jedoch tatsächlich weit darüber hinaus. Hiernach sollen auch innerhalb der Dauer des Kündigungsverbots vorgenommene Vorbereitungsmaßnahmen des Arbeitgebers im Hinblick auf eine Kündigung unzulässig sein. Was unter Vorbereitungsmaßnahmen zu verstehen sein soll, lässt der Gesetzesentwurf offen. Nach geltender Rechtslage kann bereits innerhalb der Schutzfristen der Betriebsrat zu der beabsichtigten Kündigung angehört werden. Dies dürfte nach der Reform jedenfalls nicht mehr möglich sein, so dass sich Kündigungsfristen u. U. zeitlich nach hinten verschieben. Ob auch Massenentlassungsanzeigen oder sogar schon grundsätzliche Überlegungen zur Personalplanung von der Neuregelung erfasst sind, bleibt abzuwarten. Hier ist zu hoffen, dass für die Praxis dringend erforderliche Klarstellungen noch im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens Eingang finden.

Behördliche Zulassung der Kündigung

Die Möglichkeit der Zulässigkeitserklärung einer Kündigung im Mutterschutz durch die Behörden soll sich durch die Reform nicht ändern. Die Gesetzesbegründung enthält jedoch den Hinweis, dass zur Orientierung bei der Durchführung die Verwaltungsvorschriften nach § 18 Abs. 1 S. 6 BEEG herangezogen werden können. Dies ist eine begrüßenswerte Klarstellung, da auf dieses bislang nicht unmittelbar zurückgegriffen werden durfte. Weiterhin nicht gesetzlich geregelt bleibt dagegen die praxisrelevante Frage, wie in Fällen von Überschneidungen von Sonderkündigungsschutz nach MuSchG und BEEG zu verfahren ist.

Flexibilisierung im Bereich Nachtarbeit und Sonn- und Feiertagsarbeit

Es bleibt grundsätzlich bei einem Verbot von Mehrarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Nachtarbeit zwischen 20 Uhr und 6 Uhr. Die Verbote werden jedoch gelockert und die Ausnahmevorschriften geändert. Nachtarbeit bis 22 Uhr sowie die Arbeit an Sonn- und Feiertagen sollen nun bei ausdrücklichem Wunsch der Schwangeren möglich sein. In diesen Fällen bedarf es keiner behördlichen Genehmigung mehr, eine Meldung ist jedoch erforderlich.

Gefährdungsbeurteilungen

§ 9 MSchG n.F. baut auf die allgemeine Norm zur Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG auf und unterscheidet zwischen der generellen Gefährdungsbeurteilung nebst Ermittlung des Bedarfs an Schutzmaßnahmen (generelle Beurteilung der Arbeitsbedingungen) und der konkretisierten Gefährdungsbeurteilung nebst Festlegung der Schutzmaßnahmen (konkretisierte Beurteilung der Arbeitsbedingungen). Eine gesonderte Dokumentation der Beurteilung der Arbeitsbedingungen entfällt, wenn aufgrund der Art des Arbeitsplatzes keine Gefährdung für schwangere oder stillende Frauen zu erwarten ist. Dies dürfte insbesondere z. B. bei Büroarbeitsplätzen der Fall sein. In diesen Fällen reicht es, wenn der Arbeitgeber einen entsprechenden Vermerk in seinen Unterlagen aufnimmt und sich dabei auf die bereits vorliegende Dokumentation nach § 5 des ArbSchG bezieht. Worin hier allerdings die in der Gesetzesbegründung versprochene Entlastung für Arbeitgeber liegen soll, bleibt fraglich.

Lockerung der Auslegungspflicht

Der von der Koalition besonders hervorgehobene Wegfall der Pflicht des Arbeitgebers, einen Abdruck des Gesetzes im Unternehmen zugänglich zu machen, sollte in Zeiten kostenloser Veröffentlichung aller Gesetze im Internet eine Selbstverständlichkeit sein. Statt jedoch ganz auf die Regelung zu verzichten, wie in einer Studie der Geschäftsstelle Bürokratieabbau empfohlen, entschied sich die Regierungskoalition für eine Lockerung der Auslegungspflicht zugunsten einer Veröffentlichung im Intranet des Arbeitgebers: das Mutterschutzgesetz darf künftig vom Arbeitgeber auch in elektronischer Form zur Verfügung gestellt werden.

KLIEMT.Arbeitsrecht




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