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Aufhebungsvertrag Interessenausgleich Kündigung, betriebsbedingt Umstrukturierung

Anspruch auf Wiedereinstellung: Problem erkannt, Gefahr gebannt

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Der Wiedereinstellungsanspruch ist in der Rechtsprechung anerkannt. Er spielt gerade bei Restrukturierungen eine Rolle, die oft über einen längeren Zeitraum, auch in Etappen, durchgeführt werden. Dabei kommt es häufig nach Ausspruch der ersten Kündigungen noch zu Anpassungen oder punktuellen Veränderungen des Restrukturierungskonzepts. Dies kann bewirken, dass die bereits ausgesprochenen Kündigungen nun nicht mehr zulässig wären. Folge: Die gekündigten Arbeitnehmer verlangen Wiedereinstellung. Ein solcher Anspruch hat jedoch Grenzen, die nicht zuletzt von der individuellen Vertragsgestaltung abhängen.

Warum gibt es den Wiedereinstellungsanspruch?

Die Rechtsprechung hat den Wiedereinstellungsanspruch als Reaktion darauf entwickelt, dass es für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Kündigung auf den Zeitpunkt ihres Zugangs beim Arbeitnehmer ankommt. Bei einer betriebsbedingten Kündigung muss zu dieser Zeit die objektiv gerechtfertigte Prognose bestehen, dass der bisherige Arbeitsplatz des Arbeitnehmers bis zum Ende der Kündigungsfrist entfallen und es bis dahin (oder in absehbarer Zeit danach) keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit auf einem freien Arbeitsplatz im Unternehmen geben wird. Solche anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten müssen dem Arbeitnehmer dabei einseitig oder aber im Wege der Änderungskündigung zugewiesen werden können. Wenn die Prognose gerechtfertigt ist, bleibt die Kündigung wirksam, auch wenn sich die Prognose bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder danach als unzutreffend erweist. Die damit verbundene Konsequenz, dass der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz bei nachträglichen Änderungen der maßgeblichen Umstände trotz Wegfalls des Kündigungsgrundes verliert, soll durch den Wiedereinstellungsanspruch korrigiert werden. Damit stellt der Wiedereinstellungsanspruch eine Art Spiegel des Kündigungsschutzes dar: Was im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung zur Unwirksamkeit der Kündigung geführt hätte, soll nach Ausspruch der Kündigung grundsätzlich einen Anspruch auf Wiedereinstellung begründen. Dieser Grundsatz gilt jedoch nur mit Einschränkungen, die für die Praxis durchaus bedeutsam sind.


Nicht jedem wirksam gekündigten Arbeitnehmer steht bei einem nachträglichen Wegfall des Kündigungsgrundes ein Anspruch auf Wiedereinstellung zu. Die Rechtsprechung hat vielmehr Grenzen aufgestellt, die teilweise bereits bei der Arbeitsvertragsgestaltung und der Planung einer Restrukturierung berücksichtigt werden können.

Grenzen des Wiedereinstellungsanspruchs

Der Wiedereinstellungsanspruch ist zunächst zeitlich begrenzt. Die zugrundeliegende Kündigungsprognose muss sich nach Ausspruch der Kündigung, aber grundsätzlich noch vor Ablauf der Kündigungsfrist als unzutreffend erweisen. Änderungen nach Ablauf der Kündigungsfrist können einen Wiedereinstellungsanspruch nur in Ausnahmefällen begründen (vgl. BAG v. 13.5.2004 – 8 AZR 198/03).

Überdies gibt es bei dem Wiedereinstellungsanspruch nach betriebsbedingter Kündigung eine bedeutsame inhaltliche Einschränkung. Die Rechtsprechung nimmt einen Wegfall des Kündigungsgrundes nur dann an, wenn wider Erwarten der bisherige Arbeitsplatz des Arbeitnehmers doch erhalten bleibt oder sich eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit auf einem unvorhergesehen frei werdenden oder neu geschaffenen Arbeitsplatz ergibt, auf den der Arbeitnehmer ohne Änderung seines Arbeitsvertrages einseitig versetzt werden könnte (vgl. BAG v. 28.6.2000 – 7 AZR 904/98). Nachträgliche Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten, die nur im Wege der Änderungskündigung zugewiesen werden könnten, begründen demnach keinen Wiedereinstellungsanspruch. Dies gilt, obwohl das Bestehen derartiger Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bereits im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung wegen des Vorrangs der Änderungskündigung zur Unwirksamkeit der Kündigung geführt hätte. In diesem praxisrelevanten Punkt findet damit keine vollständige Spiegelung des Kündigungsschutzes durch den Wiedereinstellungsanspruch statt.

Im Übrigen setzt ein Wiedereinstellungsanspruch voraus, dass der Arbeitgeber mit Rücksicht auf die Wirksamkeit der Kündigung noch keine Dispositionen getroffen hat und ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist. Dies kann insbesondere relevant werden, wenn der Arbeitgeber  den in Betracht kommenden Arbeitsplatz zwischenzeitlich – nicht treuwidrig – wiederbesetzt hat (vgl. BAG v. 28.6.2000 – 7 AZR 904/98).

Berücksichtigung der Grenzen bei Arbeitsvertragsgestaltung und Restrukturierung

Die aufgezeigten Grenzen des Wiedereinstellungsanspruchs können teilweise bereits bei der Arbeitsvertragsgestaltung nutzbar gemacht werden. So kann ein eingeschränktes Versetzungsrecht des Arbeitgebers das Risiko eines Wiedereinstellungsanspruchs minimieren, da dieser Anspruch nach dem Vorgenannten auf nachträgliche Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten beschränkt ist, die einseitig ohne Änderungen des Arbeitsvertrages zugewiesen können. Es dürfte der Grundsatz gelten: Je weiter das einseitige Versetzungsrecht des Arbeitgebers, desto höher das Risiko eines potentiellen Wiedereinstellungsanspruchs. Ein ähnlicher Grundsatz gilt bereits bei der Sozialauswahl. Dies folgt daraus, dass eine Sozialauswahl lediglich zwischen vergleichbaren Mitarbeitern durchzuführen ist und eine solche Vergleichbarkeit nur besteht, wenn der Arbeitgeber die betreffenden Arbeitnehmer einseitig auf den Arbeitsplatz des jeweils anderen versetzen könnte.

Etwaigen Wiedereinstellungsansprüchen kann zudem im Rahmen der (Neu)Planung einer Restrukturierung vorgebeugt werden. Mit Blick auf die zeitliche Begrenzung des Wiedereinstellungsanspruchs sind Änderungen des Restrukturierungskonzepts grundsätzlich unschädlich, die den Wegfall des Kündigungsgrundes erst nach Ablauf der Kündigungsfrist bereits gekündigter Arbeitnehmer bewirken.

Verzicht auf den Wiedereinstellungsanspruch

Ungeachtet der vorgenannten Möglichkeiten, kann im Rahmen eines Abfindungsvergleichs zur Beilegung eines Kündigungsrechtsstreits ein ausdrücklicher Verzicht des Arbeitnehmers auf etwaige Wiedereinstellungsansprüche geregelt werden (vgl. BAG v. 28.6.2000 – 7 AZR 904/98). Gleiches dürfte für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit vereinbarter Abfindung gelten, wenngleich die höchstrichterliche Rechtsprechung die Zulässigkeit einer solchen Verzichtsklausel wohl bisher noch nicht explizit anerkannt hat.

 

Vanessa Heuer

Rechts­an­wäl­tin

Senior Associate
Vanessa Heuer berät Arbeitgeber vorwiegend zu Fragen der Ver­trags­ge­stal­tung und des Arbeits­kampf­rechts sowie zu Kün­di­gungs­schutz­ver­fah­ren.
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