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Arbeitsvertrag Low Performer

Umgang mit Low Performern – Teil 4: Steuerung durch Zielvereinbarungen

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Ablösung Gesamtzusage

Die Vereinbarung von Zielen zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter ist ein sinnvolles Führungsinstrument. Zunächst ermöglicht sie dem Arbeitgeber, die Arbeitsleistung des Mitarbeiters zu steuern. Dies gilt unabhängig davon, ob die Ziele mit einem zusätzlichen Vergütungsanreiz gekoppelt werden. Zudem können Zielvereinbarungen die Arbeitsleistung des Mitarbeiters messbar machen, was nicht zuletzt für arbeitsrechtliche Maßnahmen wegen einer etwaigen Schlechtleistung des Mitarbeiters bedeutsam ist. Die Erfüllung der vorgenannten Zwecke hängt dabei jedoch entscheidend von der juristisch sauberen Formulierung der Ziele ab. Insofern ist eine Orientierung an den sogenannten SMART-Kriterien zu empfehlen.

Warum ist die korrekte Formulierung der Ziele wichtig?

Ungeachtet der rechtlichen Grundlage von Zielvereinbarungen ist ihr Dreh- und Angelpunkt die korrekte Formulierung der Ziele. Werden diesbezüglich Fehler gemacht, können die Zielvereinbarungen ihren Zweck nicht erfüllen. Dies gilt zunächst für die Steuerung des Mitarbeiters, dem Hauptzweck von Zielvereinbarungen. So hängen die Leistungen des Mitarbeiters entscheidend davon ab, ob ihm die entsprechenden Erwartungen des Arbeitgebers klar kommuniziert werden.

Überdies kommen arbeitsrechtliche Maßnahmen wegen einer negativen Abweichung des Mitarbeiters von den gesetzten Zielen nur in Betracht, wenn die Ziele adäquat formuliert, insbesondere messbar sind. Andernfalls kann eine Abweichung der Ist- von der Soll-Leistung des Mitarbeiters nicht festgestellt werden (vgl. hierzu den Blogbeitrag vom 6. September 2016 „Umgang mit Low Performern – Teil 3: Ist „Dienst nach Vorschrift“ zulässig?“).

Sollen die Zielvereinbarungen Grundlage einer zusätzlichen leistungsabhängigen Vergütung sein, gewinnt die Formulierung der Ziele noch einmal besondere Bedeutung. Das Konfliktpotential bei der Gestaltung und Auslegung von Zielen ist in diesem Fall deutlich größer als bei der reinen Steuerung des Mitarbeiters. Insofern kann die mangelhafte Formulierung oder das Unterlassen von Zielvereinbarungen zu finanziellen Nachteilen des Arbeitgebers führen.Insbesondere kostspielige Rechtsstreitigkeiten mit Beweiserleichterungen für den Mitarbeiter oder gar Schadensersatzansprüche des Mitarbeiters sind denkbar.

Vor diesem Hintergrund kann Arbeitgebern nur geraten werden, ausreichend Wert auf die saubere Formulierung der Ziele zu legen.


Formulierung der Ziele nach den sogenannten „SMART-Kriterien“

In der Praxis hat sich bei der Formulierung der Ziele eine Orientierung an den sogenannten „SMART-Kriterien“ bewährt. Dies gilt sowohl in rechtlicher als auch in führungspsychologischer Hinsicht.

Danach müssen die Ziele zunächst spezifisch (= S) sein. Sie müssen dem Mitarbeiter klar vor Augen führen, welches Arbeitsverhalten von ihm erwartet wird. Dies gilt in besonderem Maße, wenn mit der Erreichung der Ziele eine zusätzliche leistungsabhängige Vergütung verbunden ist. So kommen dem Mitarbeiter in diesem Fall in einem etwaigen Prozess über die leistungsbezogene Vergütung erhebliche prozessuale Erleichterungen zu Gute, wenn der Inhalt eines vorgegebenen Ziels wegen unklarer Formulierung ungewiss ist (vgl. LAG Hessen v. 29.1.2002, 7 Sa 836/01).

Es bedarf zudem messbarer (= M) Ziele. Die Zielerreichung sollte ohne Durchführung einer subjektiven Bewertung in Zahlen auszudrücken sein. Dadurch wird etwaigen Streitigkeiten über die Zielerreichung vorgebeugt. Sollte es dennoch einmal zu einer prozessualen Auseinandersetzung kommen, bedarf es für eine Überprüfung der Zielerreichung durch den Arbeitsrichter in der Regel ebenfalls der objektiven Messbarkeit der Ziele.

Die Ziele dürfen anspruchsvoll (= A) sein. Dies gilt auch für Zielvereinbarungen mit Vergütungsanreiz. Die leistungsbezogene Vergütung wird als zusätzlicher Vergütungsbestandteil gezahlt. Der durchschnittliche Arbeitseinsatz (Arbeit unter angemessener Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit) ist bereits mit dem Grundgehalt abgegolten. Die leistungsbezogene Vergütung kann insoweit als Vergütung für überobligationsmäßigen Arbeitseinsatz ausgestaltet werden.

Es sind zudem realistische (= R) Ziele zu formulieren. Sie dürfen weder internen Planzahlen widersprechen noch Marktgegebenheiten außer Betracht lassen. Damit ist es beispielsweise ausgeschlossen, die Zahlung einer leistungsbezogenen Vergütung durch die Formulierung unrealistischer Zielvorgaben zu vereiteln. Werden Zielvereinbarungen zur Beurteilung einer Schlechtleistung im Arbeitsverhältnis genutzt, können Maßstab ebenfalls nur – mit Blick auf den Durchschnitt aller Mitarbeiter – realistische Ziele sein.

Schließlich sollten die Ziele terminiert (= T) werden. Nur eine klare Terminierung erlaubt eine Prüfung der Zielerreichung und ermöglicht eine Ausrichtung des Arbeitsverhaltens an den Zielen durch den Mitarbeiter. Vor diesem Hintergrund kann es zur „Feinsteuerung“ des Arbeitsverhaltens des Mitarbeiters auch sinnvoll sein, Zwischenziele zu vereinbaren oder unterschiedliche Termine für verschiedene Ziele zu regeln.

Das Unterlassen der Formulierung von Zielen als arbeitsrechtliche Sünde

Die korrekte Ausgestaltung von Zielvereinbarungen ist regelmäßig mit viel Mühe verbunden. Nicht selten erlahmt der Aufwand im Laufe der Zeit bis hin zum gänzlichen Unterlassen von Zielvereinbarungen. Soweit ein Anspruch des Mitarbeiters auf die Teilnahme an einem Zielvereinbarungssystem besteht, stellt dies eine arbeitsrechtliche Sünde dar. Sie kann einen Schadensersatzanspruch des Mitarbeiters begründen, wenn diesem mangels der Vereinbarung entsprechender Ziele keine leistungsorientierte Vergütung gezahlt wird.

Dies gilt jedenfalls, wenn der Arbeitgeber das Unterbleiben eines Zielvereinbarungsgesprächs (auch) zu vertreten hat (vgl. BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 889/07). Der Schadensersatzanspruch kann dabei dem Betrag entsprechen, der sich bei einer 100%igen Zielerreichung, eventuell sogar auf Grundlage der (höheren) Durchschnittsvergütung der Vorjahre, ergeben hätte. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Mitarbeiter vereinbarte Ziele – obgleich sie anspruchsvoll ausgestaltet werden dürfen – erreicht hätte (vgl. BAG v. 12.12.2007 – 10 AZR 97/07).

Auch die Zahlung der leistungsbezogenen Vergütung trotz unterbliebener Formulierung entsprechender Ziele stellt keine adäquate Alternative dar. So kann die mehrjährige Auszahlung des leistungsbezogenen Vergütungsbestandteils ohne Zielvereinbarung zu einer dauerhaften Verfestigung des Vergütungsanteils als Fixvergütung führen.

Dies folgt aus dem Grundsatz der betrieblichen Übung, wonach bei dreimaliger Gewährung eines finanziellen Vorteils ein entsprechender Anspruch des Mitarbeiters auf diesen finanziellen Vorteil auch für die Zukunft entsteht (vgl. BAG v. 17.11.2009 – 9 AZR 765/08). Insbesondere unter finanziellen Gesichtspunkten ist Arbeitgebern daher zu raten, die Formulierung von Zielvereinbarungen ernst zu nehmen.

 

Vertiefungshinweise:

Mit den allgemeinen Auswirkungen von Schlechtleistung auf die Vergütung beschäftigt sich der Beitrag von Dr. Till Hoffmann-Remy. Zu allen Beiträgen der Serie „Low Performer“ gelangen Sie hier.

Mehr zum Thema finden Sie auch bei Faerber/Turck/Vollstädt/Wiederhake, Umgang mit schwierigen Mitarbeitern – Herausfordernde Mitarbeiter wirksam führen, Konflikte lösen, rechtliche Fehler vermeiden, 3. Aufl. 2016, erhältlich bei www.haufe.de.

Dr. Oliver Vollstädt 

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Oliver Vollstädt berät Arbeitgeber und Top-Füh­rungs­kräfte in allen Fragen des Arbeits­rechts. Sein besonderes Know-how liegt bei kol­lek­tiv­recht­li­chen Themengebieten mit den Schwer­punkten Restruk­tu­rie­rungsberatung, Ver­hand­lung von Sozi­al­plä­nen und haustariflichen Gestal­tun­gen. Ferner ist Oliver Vollstädt anerkannter Experte in arbeits- und daten­schutz­recht­li­chen Fragen zum Einsatz von IT-Systemen und neuen Medien am Arbeits­platz. Er ist Mitglied der Fokusgruppe "Datenschutz".
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