Sozialplanverhandlungen verlaufen selten in ruhigen Fahrwassern und sind vor allem in Krisenzeiten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine Ausnahmesituation. Nicht selten kommt es nach Abschluss noch zu Diskussionen über die getroffene Vereinbarung. Auslegungsstreitigkeiten, Verhandlungsfehler oder auch unvorhergesehene Ereignisse – positive wie negative – die erst nach Abschluss des Sozialplans eintreten, lassen den Wunsch nach einer nachträglichen Abänderung des Sozialplans aufkommen. Für Arbeitgeber stellen sich hier im Wesentlichen zwei Fragen: Wann kann ein Unternehmen selbst nochmal Nachverhandlungen verlangen? Und: Wann müssen Unternehmen mit solchen Forderungen seitens des Betriebsrats rechnen?
Einvernehmliche Änderung
Nach verbreiteter Auffassung gelten die Regeln für die Änderung von Betriebsvereinbarungen auch für Sozialpläne; und zwar auch dann, wenn der Sozialplan per Einigungsstellenspruch zustande kommt. Die Betriebsparteien können den Sozialplan daher jederzeit einvernehmlich neu verhandeln. Der später abgeschlossene Sozialplan ersetzt den ursprünglichen Sozialplan (sog. Ablösungsprinzip). Allerdings ist der Änderungsspielraum begrenzt. Eine spätere Vereinbarung kann bereits entstandene Ansprüche der Arbeitnehmer wegen des bestehenden Vertrauensschutzes nicht schmälern. Eine rückwirkende Verschlechterung ist daher nur in Ausnahmefällen denkbar, z. B. bei Änderung der Abfindungsberechnung vor deren Auszahlung (BAG v. 2.10.2007 – 1 AZR 815/06).
Besonderheiten gelten für insolvenznahe Sozialpläne, die binnen drei Monaten vor Stellung des Insolvenzantrages aufgestellt wurden. Diese können von Betriebsrat und Insolvenzverwalter ohne Grund und mit sofortiger Wirkung widerrufen werden. Da beiden Seiten das gleiche Widerrufsrecht zusteht, ist auch eine einvernehmliche Aufhebung möglich, die – wie der Widerruf auch – rückwirkend erfolgen kann.
Einseitige Forderung nach Nachverhandlungen
Ein einseitiges Verlangen nach Nachverhandlungen können die Betriebsparteien nur begrenzt durchsetzen. Insbesondere der Betriebsrat hat nach Abschluss des Sozialplans in der Regel sein Recht verbraucht, Sozialplanverhandlungen zu erzwingen. Wenn der Verhandlungspartner sich Nachverhandlungen verschließt, kommt vor allem eine (Teil-)Kündigung in Betracht, in deren Anschluss der – erzwingbare – Sozialplan neu verhandelt werden muss. Eine wirksame Kündigung führt lediglich zum Wegfall der Bindung an den Sozialplan, macht diesen selbst aber nicht unwirksam. Eine neue Abmachung wirkt, wie im Falle der einvernehmlichen Neuverhandlung, stets nur für die Zukunft.
Ordentliche Kündigung
Der Sozialplan kann ordentlich gekündigt werden, soweit dies explizit im Sozialplan vereinbart wurde. Andernfalls ist die ordentliche Kündigung nach überwiegender Ansicht ausgeschlossen. Eine Ausnahme soll gelten, soweit ein Sozialplan Dauerregelungen enthält. Dauerregelungen liegen nach Definition des BAG nur dann vor, wenn ein einmal entstandener wirtschaftlicher Nachteil der Arbeitnehmer nicht durch eine einmalige Leistung, sondern durch auf bestimmte oder unbestimmte Zeit laufende Leistungen ausgeglichen oder gemildert werden soll, z. B. dauerhafte Ausgleichszahlungen für schlechter bezahlte Arbeitsplätze.
Außerordentliche Kündigung
Ohne explizite Vereinbarung eines ordentlichen Kündigungsrechts kommt zudem eine außerordentliche Kündigung in Betracht. Hierzu ist jedoch ein wichtiger Grund erforderlich, der es dem kündigenden Betriebspartner unzumutbar macht, am Sozialplan festzuhalten. An den wichtigen Grund sind hohe Anforderungen zu stellen. Soweit ersichtlich, wurde bisher noch kein Fall eines ausreichendenden wichtigen Grundes in der Rechtsprechung entschieden. Das finanzielle Unvermögen, die Sozialplanforderungen zu bedienen, soll als Grund jedenfalls nicht ausreichen (BAG v. 10.8.1994 – 10 ABR 61/93). Zudem wird überwiegend angenommen, dass auch mit außerordentlichen Kündigungen nur Dauerregelungen – wie zuvor beschrieben – beseitigt werden können. Alle anderen Bestandteile sollen einer außerordentlichen Kündigung unzugänglich sein.
Wegfall der Geschäftsgrundlage
Als letzte Möglichkeit können Nachverhandlungen nur noch unter den sehr engen Voraussetzungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage erzwungen werden. Hierzu müssen sich die Umstände, die zur Grundlage des Sozialplans geworden sind, nach seinem Abschluss ganz erheblich verändert haben. Und zwar in der Art, dass die Betriebsparteien den Sozialplan bei Voraussagung der veränderten Umstände so nicht abgeschlossen hätten. Zudem muss das weitere Festhalten am Sozialplan für eine Betriebspartei unzumutbar sein.
Für eine derartige Störung reicht es daher nicht aus, wenn ein Verhandlungspartner im Nachhinein feststellt, schlecht verhandelt zu haben. Das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kann nicht dazu genutzt werden, Versäumnisse bei der Sozialplanverhandlung auszubügeln. Es müssen vielmehr erhebliche Veränderungen der Vereinbarungsgrundlage eingetreten sein. Vom BAG wurde eine solche Störung z. B. für Fälle angenommen, in denen die dem Sozialplan zu Grunde gelegte Finanzierung größtenteils wegbricht (BAG v. 10.8.1994 – 10 ABR 61/93) oder eine avisierte Stilllegung unerwartet durch Verkauf des Betriebes abgewendet werden kann (BAG v. 28.8.1996 – 10 AZR 886/95).
In solchen Fällen können Nachverhandlung gefordert erzwungen und – anders als nach einer Kündigung – auch zu Lasten der Arbeitnehmer in deren bereits entstandene Ansprüche eingegriffen werden. Insoweit genießen die Arbeitnehmer keinen Vertrauensschutz.
Fazit
Kündigungsmöglichkeiten bestehen für beide Betriebsparteien nur sehr begrenzt. Soweit sich der Arbeitgeber die Möglichkeit vorbehalten willen, einseitig Nachverhandlungen des Sozialplans zu erzwingen, sollte dies schon im Sozialplan geregelt werden. Arbeitgeber können sich die Möglichkeit für Anpassungen aber zumindest für absehbare Fälle durch entsprechende Vorbehalte im Sozialplan sichern. Abfindungen können ganz oder teilweise unter den Eintritt bestimmter – für den Arbeitnehmer zumutbare – Bedingungen gestellt werden, z .B. ein Vorbehalt von Abfindungskürzungen soweit eine konkrete Budgetgrenze überschritten wird. Andernfalls bleibt meist nur der steinige Weg über das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.