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Arbeitsrecht 4.0 Geschäftsgeheimnisse Social Media

Praxisprobleme der Social Media-Nutzung

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Social Media

Social Media sind hierzulande zwar im Arbeitsalltag angekommen. Die Nutzung sozialer Netzwerke durch Arbeitnehmer ist jedoch rechtlich noch kaum erfasst. Wem „gehören“ Social Media-Daten? Was kann der Arbeitgeber tun, wenn ein (ehemaliger) Arbeitnehmer unter seinem Namen auftritt? Was, wenn er mittels geschäftsrelevanter Kontakte Wettbewerb betreibt oder die Accountdaten eines Geschäftsaccounts nicht herausgibt? Die Gesetzeslage hält zumeist keine zufriedenstellenden Antworten bereit; die Durchsetzung von Rechten ist kompliziert. Umso wichtiger ist eine vorausschauende Vertragsgestaltung.

Welche Regelungen sind empfehlenswert?

Hinter der Geltendmachung von Herausgabe- und Unterlassungsansprüchen des Arbeitgebers stecken typischerweise zwei Interessen: sicherzustellen, dass der Geschäftsbetrieb ungestört weiterlaufen kann (der ggf. auf in dem Account hinterlegten Informationen angewiesen ist); zum anderen, dass dem Arbeitnehmer die Nutzung geschäftlich erworbener Kontakte für Wettbewerbszwecke untersagt wird. Diese Interessen können und sollten bereits in der Vertragsgestaltung berücksichtigt werden.

Während die direkte Übertragung eines jedenfalls auch privat genutzten Social Media Accounts regelmäßig nicht (oder nicht zur Gänze) in Betracht kommt, bieten sich diverse andere Hebel. So können beispielsweise Regelungen dazu getroffen werden, wie geschäftlich gewonnene Kontakte zu pflegen sind (Stichwort: Synchronisation), wo Zugangsdaten zu geschäftlichen Accounts zu hinterlegen sind und wie in gemischt genutzten Accounts private und geschäftliche Kontakte voneinander separiert werden können. Für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann vorgesorgt werden, indem Einsichtnahmerechte vereinbart werden. Schließlich kann ein Verfahren für den Streitfall vorgesehen werden. Wegen § 309 Nr. 12 BGB komplex sind Regelungen über die Beweislastverteilung im Prozess, wonach der sachnähere Arbeitnehmer eine fehlende Geschäftsbezogenheit beweisen muss. Schließlich sollten bestehende Wettbewerbsverbote klarstellend auf soziale Netzwerke erstreckt werden.


Warum muss derartige Vorsorge getroffen werden? Während dem Arbeitgeber durchaus Ansprüche auf Herausgabe oder Unterlassung der Nutzung von Kontakten zustehen können, gibt es erhebliche rechtliche Hürden sowie tatsächliche Probleme bei der Rechtsdurchsetzung. Diese werden dadurch verstärkt, dass der Arbeitgeber für einen effektiven Rechtsschutz das Eilverfahren bemühen muss und die dortige nur summarische Prüfung durch die Gerichte häufig nicht in dem erforderlichen Detailgrad durchgeführt wird.

Herausgabe von Social Media-Daten?

Der Arbeitgeber kann auf Grundlage des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Arbeitnehmer Herausgabeansprüche bezüglich Social Media-Daten geltend machen. Übersetzt: die Mitteilung der Kontakte und deren Inhalte, u.U. sogar die Löschung der Kontakte im Account des Arbeitnehmers.

Inhaltlich erstreckt sich der Herausgabeanspruch auf alles, was der Arbeitnehmer zur Ausführung der ihm übertragenen Arbeit erhalten und was er aus dem Arbeitsverhältnis erlangt hat. Hier beginnen gleichzeitig die Abgrenzungsprobleme: Ist ein Social Media-Kontakt bereits geschäftlich erlangt, wenn er eine Geschäftsbeziehung im realen Leben nur online spiegelt? Oder bedarf es gar einer Nutzung des Social Media-Accounts für geschäftliche Zwecke, in deren konkretem Zusammenhang der Kontakt zustande kommt? In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, wem der Account (im Sinne einer Dispositionsbefugnis) „gehört“. Klar zu beantworten ist dies nur bei rein privaten oder spezifisch für die Geschäftstätigkeit angelegten Accounts. Die weit überwiegende Zahl an Social Media-Accounts wird jedoch gemischt (auch) geschäftlich genutzt. Nur eine Einzelfallbetrachtung kann eine geschäftliche Nutzung belegen. Genau eine solche müsste der Arbeitgeber ggf. im Streitfall darlegen und beweisen (ArbG Hamburg vom 24.01.2013, 29 Ga 2/13). Schon hier laufen Herausgabeansprüche oftmals ins Leere. Hinzu kommen die bestehenden datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen (insbesondere: Einwilligung Dritter in die Übermittlung an den Arbeitgeber). Selbst wenn all diese Hürden überwunden werden können, steht der Arbeitgeber vor einem Problem: Wie soll eine Herausgabe erfolgen, wenn die Daten bei externen Anbietern liegen und der Speicherort der Daten typischerweise überhaupt nicht erkennbar ist? Schließlich werden Ansprüche auf Herausgabe dadurch ad absurdum geführt, dass in den meisten Fällen ein Datenexport aus dem Netzwerk möglich ist.

Unterlassung der Nutzung geschäftsrelevanter Informationen?

Ähnlich komplex gestaltet sich die Rechtslage bei Unterlassungsansprüchen, insbesondere, soweit sie auf § 17 UWG gestützt werden. Auch Social Media-Datensätze können u.U. geschützte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse darstellen (BGH 19.12.2002 – I ZR 119/00 [PDF]). Jedoch sieht das ArbG Hamburg (a.a.O.) den Arbeitgeber in der Darlegungslast für eine Geschäftsbezogenheit der Daten und verweist ihn sogar darauf, die Fachvorgesetzten und Kontaktpartner des Arbeitnehmers zu befragen, um herauszufinden, ob der jeweilige Kontakt geschäftlich oder privat zustande gekommen sei. Ein solches Vorgehen ist völlig praxisfern und geeignet, auf Arbeitgeberseite einen empfindlichen Reputationsschaden herbeizuführen.

Wahl des richtigen Gestaltungsmittels

Sollen vor diesem Hintergrund Regelungen zur Social Media-Nutzung implementiert werden, muss nach Regelungsgehalten differenziert werden. Bloße Konkretisierungen der Leistungspflichten können per Direktionsrecht z.B. in Social Media-Policies geregelt werden. Sollen vollständig neue Pflichten begründet werden, bedarf es einer vertraglichen oder betriebsverfassungsrechtlichen Grundlage. Mit einer Betriebsvereinbarung können gleichzeitig bestehende Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates abgedeckt werden. Kollektivrechtliche Regelungen sind zudem administrativ einfacher zu handhaben und genießen eine große Akzeptanz in der Belegschaft. Ist kein (verständiger) Betriebsrat vorhanden, bleibt nur der aufwendige Weg über Einzelvertragsänderungen.

Eine ausführliche Darstellung zum Thema finden Sie in einem aktuellen Beitrag von Hoffmann-Remy/Tödtmann in der Neuen Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA) 2016, S. 792 , abrufbar über Beck Online [€].

Dr. Till Heimann

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Till Heimann berät Arbeitgeber mit Fokus auf Unter­neh­mens­trans­ak­tio­nen (mit anschlie­ßen­der Integration), Umstruk­tu­rie­run­gen auf Unter­neh­mens- und Betriebsebene und Har­mo­ni­sie­rung von Arbeits­be­din­gun­gen. Besondere Expertise besitzt Till Heimann darüber hinaus hinsichtlich der Beratung zu regulierter Vergütung (Banken/Kapitalanlagegesellschaften u.A. Institute), von Unternehmen der Technologiebranche sowie von Startups. Er besitzt langjährige Erfahrung in der Steuerung inter­na­tio­na­ler Projekte. Er ist Mitglied der Fokusgruppe "ESG".