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Betriebsverfassung Compliance

Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder

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Betriebsrat Vergütung

Die Vergütung insbesondere freigestellter Betriebsratsmitglieder ist weiterhin nicht nur ein arbeitsrechtlicher Dauerbrenner, sondern auch regelmäßig Gegenstand kritischer Presseberichterstattung. Dies insbesondere dann, wenn es zu arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen oder gar strafrechtlichen Ermittlungen gegen Betriebsratsmitglieder und Unternehmensorgane kommt. Um dies zu vermeiden, sollten Unternehmen der Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder die gebotene Aufmerksamkeit widmen. Dabei bestehen Handlungsmöglichkeiten, um die Rechtslage handhabbar zu gestalten.

Gesetzlich klare Vorgaben zur Betriebsratsvergütung, aber …

Das Betriebsverfassungsgesetz macht zwei an sich klare Vorgaben. Zum einen darf Betriebsräten keine Vergütung für die Wahrnehmung ihres Amtes zufließen (Ehrenamtsprinzip). Zum anderen ist das Arbeitsentgelt fortzuzahlen, das ohne die Betriebsratstätigkeit bei Erbringung der Arbeitsleistung erzielt worden wäre (Lohnausfallprinzip).

In der Praxis führen diese Vorgaben dann zu Problemen, wenn Betriebsratsmitglieder langjährig von ihrer eigentlichen beruflichen Tätigkeit freigestellt sind. Dies insbesondere, soweit – wie regelmäßig z.B. in Industriekonzernen – die Wahrnehmung des Betriebsratsamtes im Vergleich zur ursprünglichen beruflichen Tätigkeit deutlich höhere Anforderungen und Verantwortung mit sich bringt. Nicht selten folgen die Beteiligten der Devise: Wer mit dem Management über Millionensummen für Sozialpläne verhandle, müsse auch „auf Augenhöhe“ bezahlt werden. Dies lässt sich oftmals nicht mit gesetzlichen Vorgaben in Einklang bringen.

Denn um rechtliche Risiken möglichst zu vermeiden, muss sich die Vergütung fortlaufend an vergleichbaren Mitarbeitern orientieren, die nicht als (freigestelltes) Betriebsratsmitglied tätig sind. Hierbei sollten konkrete Regelungen getroffen werden, die auch bei langjähriger Freistellung eine gesetzeskonforme Vergütung gewährleisten und die konkrete Ermittlung der „richtigen“ Vergütungshöhe erleichtern.


Bereits unter Compliance-Gesichtspunkten sollte einer kritischen Überprüfung der bisherigen Vergütungspraxis ein hoher Stellenwert zukommen. Denn eine nicht gesetzeskonforme Betriebsratsvergütung birgt neben der zivilrechtlichen Nichtigkeit entsprechender Vergütungsvereinbarungen erhebliche Strafbarkeitsrisiken. Insbesondere kommt eine Strafbarkeit wegen Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern und Untreue in Betracht. Werden begünstigende Zahlungen in der Steuererklärung als Betriebsausgaben deklariert, droht darüber hinaus eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung. Hinzukommen können Schadensersatzansprüche des Unternehmens gegen die für entsprechende Zahlungen verantwortlichen Personen.

„Mehrarbeitspauschale“ & Co. regelmäßig unzulässig

Regelmäßig unzulässig sind insbesondere pauschalierende (Zusatz-)Zahlungen an Betriebsratsmitglieder. So befand etwa das Arbeitsgericht Stuttgart die jahrzehntelang praktizierte Gewährung einer „Mehrarbeitspauschale“ an Betriebsratsmitglieder eines Automobilkonzerns für rechtswidrig (ArbG Stuttgart v. 13.12.2012 – 24 Ca 5430/12).

Dabei erscheint der Begründungsansatz für derartige Zahlungen auf den ersten Blick durchaus plausibel. Denn nicht selten ist die Betriebsratstätigkeit mit hohem zeitlichem Einsatz verbunden. Übersehen wird allerdings regelmäßig, dass für Betriebsratsarbeit erbrachte Überstunden vorrangig durch Gewährung von Freizeit auszugleichen sind und eine finanzielle Abgeltung nur in Ausnahmefällen möglich ist.

Ehrenamts- und Lohnausfallprinzip stehen im Ergebnis jeglichen Gestaltungen entgegen, die Betriebsratsmitglieder (wenn auch nur mittelbar) finanziell bevorteilen. Gleichfalls gilt es natürlich auch, eine Benachteiligung von Betriebsratsmitgliedern zu vermeiden – ein schmaler Grat.

Orientierung an vergleichbaren Mitarbeitern erforderlich

Bei freigestellten Betriebsratsmitgliedern spielt insbesondere § 37 Abs. 4 BetrVG eine entscheidende Rolle. Danach muss die Vergütung laufend an die Vergütung „vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung“ angepasst werden. Vergleichbar in diesem Sinne sind Mitarbeiter desselben Betriebs, die im Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamtes ähnliche Tätigkeiten ausgeübt haben und auch hinsichtlich Persönlichkeit, Qualifikation und Leistung vergleichbar sind. Die berufliche Entwicklung vergleichbarer Mitarbeiter ist betriebsüblich, wenn der beschrittene Karriereweg so typisch ist, dass mit der jeweiligen Entwicklung geradezu gerechnet werden kann – sie also den betrieblichen Gepflogenheiten entspricht.

Die Handhabung dieser gesetzlichen Vorgaben stellt in der Praxis regelmäßig eine erhebliche Herausforderung dar. Denn die Bestimmung der Vergleichsgruppe ist ebenso wie die Frage der Betriebsüblichkeit sowie schließlich die konkrete Berechnung und laufende Anpassung der Vergütung gesetzlich nicht geregelt – und insofern insbesondere bei langjähriger Freistellung mit Unwägbarkeiten verbunden.

Betriebsratsvergütung handhabbar machen

Dass dennoch handhabbare Gestaltungen möglich sind, zeigt eine aktuelle Entscheidung des LAG Hamburg. Danach kann die Vergütungsentwicklung im Rahmen von § 37 Abs. 4 BetrVG durch kollektivrechtliche Regelungen verbindlich gestaltet werden (LAG Hamburg v. 5.3.2015 – 7 Sa 63/14). Im zu entscheidenden Fall hatten Unternehmen und Betriebsrat in einer Regelungsabrede u.a. ein Procedere festgelegt, wonach bei der Freistellung eines Betriebsratsmitglieds drei Vergleichspersonen bestimmt werden, an deren durchschnittlicher Vergütungsentwicklung das freigestellte Betriebsratsmitglied teilnimmt. Das LAG Hamburg hat diese Vergütungspraxis ausdrücklich gebilligt. Es bestehen somit durchaus Handlungsmöglichkeiten, um Praktikabilität und Rechtssicherheit der Betriebsratsvergütung zu optimieren.

Insoweit wäre es zu begrüßen, schlösse sich das Bundesarbeitsgericht der Auffassung des LAG Hamburg an. Gelegenheit hierzu dürfte noch in diesem Jahr bestehen: Die Revision ist anhängig (7 AZR 205/15).

Jörn-Philipp Klimburg LL.M.

Rechts­an­walt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Principal Counsel
Jörn-Philipp Klimburg berät deutsche und internationale Unternehmen sowie öffentlich-rechtliche Institutionen umfassend in allen Fragen des Arbeitsrechts. Schwerpunkte bilden die Gestaltung und Begleitung von Restrukturierungen, Outsourcing-Projekten und M&A-Transaktionen sowie die Vertretung in Arbeitsgerichtsprozessen. Besondere Expertise hat er zudem im Betriebsverfassungs- und Tarifvertragsrecht sowie im Bereich der Anstellungsverhältnisse von Vorständen und Geschäftsführern. Jörn-Philipp Klimburg ist bei KLIEMT.Arbeitsrecht verantwortlich in der Fokusgruppe "Whistleblowing und Compliance".
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