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Kündigung, allgemein Zwangsvollstreckung

So können sich Arbeitgeber gegen Weiterbeschäftigungsansprüche verteidigen

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Weiterbeschäftigungsanspruch

Wird ein Kündigungsschutzverfahren einmal nicht in I. Instanz gewonnen, sieht sich der Arbeitgeber regelmäßig einem vorläufig vollstreckbaren Weiterbeschäftigungsanspruch gegenüber. Oftmals folgt ein außergerichtliches Aufforderungsschreiben, worin der Gekündigte seine Arbeitsleistung anbietet und den Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung auffordert. Reagiert der Arbeitgeber daraufhin nicht oder nicht wie gewünscht, machen manche Arbeitnehmer „ernst“ und leiten ein Zwangsvollstreckungsverfahren mit dem Ziel ein, den Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung zwangsweise durchzusetzen. Damit steht ihnen ein nicht unerhebliches Druckmittel zur Verfügung. Spätestens wenn ein Antrag auf Festsetzung von Zwangsmitteln (Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft) gestellt wurde, kommt – insbesondere bei Geschäftsführern – Unruhe auf.

Welche Reaktionsmöglichkeiten hat der Arbeitgeber?

Um Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu verhindern, kann der Arbeitgeber durch unterschiedliche Gestaltungen (Beschäftigung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung, Prozessbeschäftigung) dem Verlangen des Arbeitnehmers auf Weiterbeschäftigung nachkommen. Dieser Weg hat Vorteile, oftmals wird der Arbeitgeber gerade dies aber nicht wollen – oder nicht können, etwa weil die Beschäftigungsmöglichkeit nachträglich weggefallen ist. In solchen Fällen stellt sich die Frage, welche rechtlichen und prozessualen Möglichkeiten sich dem Arbeitgeber bieten, der Zwangsvollstreckung effektiv entgegenzutreten.


Verteidigung im Zwangsvollstreckungsverfahren

Die Zwangsvollstreckung von (Weiter-)Beschäftigungsansprüchen erfolgt im Verfahren nach § 888 ZPO. Die erste Verteidigungsmöglichkeit besteht bereits im – der Festsetzung von Zwangsmitteln vorgeschalteten – Anhörungsverfahren. Mit der Frage, welche Einwendungen im Verfahren nach § 888 ZPO platziert werden können – und welche nicht – hat sich das Landesarbeitsgericht Hessen in einer aktuellen Entscheidung (Beschluss vom 6. Juli 2016, 10 Ta 266/16) befasst.

Danach sind formelle Einwendungen im Verfahren nach § 888 ZPO jedenfalls zu beachten. Insoweit ist vor allem zu prüfen, ob die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen (Titel, Klausel, Zustellung) vorliegen. Insbesondere die ordnungsgemäße Zustellung des Titels ist eine „beliebte“ Fehlerquelle. Die in diesem Zusammenhang bedeutendste Einwendung dürfte jedoch die Unbestimmtheit des Vollstreckungstitels sein. So ist etwa anerkannt, dass eine Verurteilung, „den Arbeitnehmer zu den bisherigen Bedingungen weiter zu beschäftigen“ jedenfalls dann nicht vollstreckbar ist, wenn sich die konkrete Beschäftigung nicht aus dem unstreitigen Teil des Urteils ergibt. Denn – so auch das Landesarbeitsgericht Hessen – der Titel muss verdeutlichen, um welche Art der Beschäftigung es geht. Hierzu wird regelmäßig eine Berufs- oder Stellenbezeichnung erforderlich sein; Einzelheiten zur Art der Beschäftigung oder konkrete Arbeitsbedingungen sind dagegen nicht nötig.

Materiell-rechtliche Einwendungen sind im Verfahren nach § 888 ZPO dagegen nur unter äußerst engen Voraussetzungen zu berücksichtigen. Insbesondere eine Folgekündigung wegen Wegfalls der titulierten Beschäftigungsmöglichkeit nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils ist im Zwangsvollstreckungsverfahren grundsätzlich unbeachtlich. Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn der Wegfall der titulierten Beschäftigung offenkundig (etwa bei einer Betriebsschließung), unstreitig oder rechtskräftig festgestellt ist. Eine solchermaßen offenkundige arbeitgeberseitige Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung wird allerdings nur selten vorliegen.

Beachtlich sind dagegen regelmäßig Unmöglichkeitsgründe, welche aus der Sphäre des Arbeitnehmers stammen. Exemplarisch nennt das Landesarbeitsgericht Hessen insoweit folgende Fallgruppen:

  • Beschäftigungsverbote (etwa nach dem Mutterschutzgesetz)
  • Langandauernde Erkrankungen
  • Auslaufen einer Arbeitserlaubnis

Dennoch wird es im Verfahren nach § 888 ZPO oft genug nicht gelingen, die Festsetzung von Zwangsmitteln zu verhindern. Zwar kann gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts noch sofortige Beschwerde eingelegt werden. Diese verschafft meistens jedoch nur einen Zeitgewinn.

Berufung oder Vollstreckungsgegenklage?

Um seine materiell-rechtlichen Einwendungen weiter zu verfolgen, stehen dem Arbeitgeber prozessual zwei grundsätzlich erfolgsversprechende Varianten zur Verfügung – Berufung und Vollstreckungsgegenklage. Jedoch hält weder die Einlegung der Berufung, noch die Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage die Zwangsvollstreckung des Weiterbeschäftigungsanspruchs unmittelbar auf. Gerade darauf wird es jedoch oft vordergründig ankommen. Deswegen muss zusätzlich die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung erreicht werden. Und an diesem Punkt ist der prozessuale Weg mit Bedacht zu wählen:

  • Entscheidet sich der Arbeitgeber für die Berufung, kann er die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung nur über einen Antrag nach § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG erreichen. Dieser verspricht jedoch nur Erfolg, wenn durch die Zwangsvollstreckung ein „nicht zu ersetzender Nachteil“ droht – in der Praxis eine nahezu unüberwindbare Hürde.
  • Klammert man den Weiterbeschäftigungsanspruch von der Berufung aus und wählt den Weg über die Vollstreckungsgegenklage, richtet sich die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung demgegenüber nach § 769 ZPO. Nach zutreffender und mittlerweile auch herrschender Auffassung (vgl. etwa Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 18. August 2015, 4 Sa 19/15) muss ein „nicht zu ersetzender Nachteil“ in diesem Verfahren nicht glaubhaft gemacht werden (allerdings muss das Gericht in diesem Verfahren zumindest von den Erfolgsaussichten der Hauptsache überzeugt werden). Vor diesem Hintergrund dürfte der prozessuale Weg über die Vollstreckungsgegenklage oftmals vorteilhaft sein.

Entstehen die materiell-rechtlichen Einwendungen allerdings erst während des laufenden Berufungsverfahrens, spricht vieles dafür, auch im Verfahren nach § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG vom Erfordernis des „nicht zu ersetzender Nachteils“ abzusehen (so das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 20. Januar 2016, 19 Sa 63/15).

Fazit

Versucht der Arbeitnehmer einen Weiterbeschäftigungsanspruch im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen, ist dies für den Arbeitgeber kein „Zuckerschlecken“. Soll eine Rückkehr in den Betrieb vermieden werden, sind hohe rechtliche und prozessuale Hürden zu überwinden. Die Pflicht besteht insoweit im Aufdecken von formellen Fehlern. Die Kür liegt in der sorgfältigen Aufbereitung der materiell-rechtlichen Einwendungen, der Wahl des zweckmäßigsten prozessualen Weges und im richtigen Timing. Besser aber noch, man lässt es gar nicht erst soweit kommen. Insoweit sollte bereits in I. Instanz ein klares Augenmerk auch auf die Verteidigung gegen den Weiterbeschäftigungsantrag gelegt werden – dies wird oft vernachlässigt und ist insoweit nicht nur Kür, sondern Pflicht.

Vertiefungshinweis:

Mehr zu Verteidigungsstrategien gegen Weiterbeschäftigungsansprüche lesen Sie im Beitrag von Hoppenstaedt/Hoffmann-Remy im Betriebsberater (BB) 2015, S. 245, den wir hier mit freundlicher Genehmigung des Verlags R&W zum Download anbieten [PDF].

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