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Betriebsrat

Teure Zeitreise mit dem BAG: Der Kommunikationsbeauftragte des Betriebsrats

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Kommunikationsbeautragter

Man sollte meinen, dass mit Freistellungen von Betriebsratsmitgliedern gemäß § 38 BetrVG den Interessen des Betriebsrats ausreichend Genüge getan ist. Welche kostenträchtigen Blüten sich unter dem schützenden Dach des Betriebsverfassungsgesetzes durch Betriebsräte treiben lassen, zeigt die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zum Kommunikationsbeauftragten des Betriebsrats (Beschluss von 29.4.2015 – 7 ABR 102/12). In dieser benutzt das BAG Wertungen zu „Kommunikation“ aus Entscheidungen der 1970er Jahre. Dies ist angesichts von technologischen Entwicklungen und Teilhabemöglichkeiten von Betriebsräten daran nicht mehr zeitgemäß.

Hintergrund

Der aus 45 Mitgliedern bestehende Betriebsrat eines Automobilherstellers bestellte zur Verbesserung der Kommunikation zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmern sogenannte Kommunikationsbeauftragte. Dies obschon alle 45 Betriebsratsmitglieder „mit oder ohne förmliche Freistellung“ ausschließlich Betriebsratsaufgaben wahrnehmen.

Diese Bestellung griffen einige Betriebsratsmitglieder einer konkurrierenden „Minderheitsfraktion“ des Betriebsrats an. Schließlich musste das BAG entscheiden und sich insbesondere mit folgenden Fragen befassen:

  • Ist die Bestellung von Kommunikationsbeauftragten überhaupt zulässig?
  • Und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?

Die erste Frage beantwortete das BAG allzu vorsichtig („nicht generell unzulässig“). Die zweite Frage ließ das BAG bedauerlicherweise weitgehend offen. Insoweit sei nachfolgend für mehr Klarheit gesorgt.

Worum ging es konkret?

Die Arbeitgeberin beschäftigt in ihrem Betrieb rund 22.000 Arbeitnehmer. Der Betriebsrat besteht aus 45 Betriebsratsmitgliedern. Alle nehmen ausschließlich Betriebsratsaufgaben wahr. Zwei mit der Arbeitgeberin geschlossene Betriebsvereinbarungen sahen die Bestellung von bis zu 580 (Kommunikations-)beauftragten mit einem Zeitkontingent von rund 30.000 Stunden jährlich vor. Aufgabe der Kommunikationsbeauftragten sollte die Unterstützung des Betriebsrats bei insbesondere seiner Meinungsbildung sein. Bestellt wurden die Kommunikationsbeauftragten durch Mehrheitsbeschluss des Betriebsrats. Da die absolute Mehrheit des Betriebsrats auf der Liste der IG Metall kandidiert hatte, wurden in der Folgezeit (fast) ausschließlich Vertrauensleute der IG Metall bestellt. Hiergegen wandten sich Mitglieder einer „Minderheitsfraktion“ des Betriebsrates.

Zunächst: Kein Verstoß gegen den Tarifvorbehalt des § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG

Das BAG entschied zunächst zutreffend, dass Kommunikationsbeauftragte nicht einer Legitimation durch Tarifvertrag bedürfen. Denn sie seien nicht in einer Organstruktur zusammengefasst. Nichts anderes sahen die zwischen Betriebsrat und Arbeitgeberin geschlossenen Betriebsvereinbarungen vor. Allein regelmäßig stattfindenden Informations- und Diskussionsrunden begründen keine Organstruktur.

Kommunikationsbeauftragte können nach § 40 Abs. 2 BetrVG zulässig sein

Bei Kommunikationsbeauftragten handele es sich nach Auffassung des BAG vielmehr um Hilfspersonen des Betriebsrates gemäß § 40 Abs. 2 BetrVG. Denn sie würden, wie Schreibkräfte, den Betriebsrat durch Hilfstätigkeiten bei der Amtswahrnehmung unterstützen. Zur Amtswahrnehmung zählt das BAG auch Kommunikationsaufgaben.

Ist Kommunikation eine gesetzliche Pflicht des Betriebsrats?

Wenig erhellend ist die Entscheidung allerdings, ob und in welchem Maß „Kommunikation“ überhaupt eine gesetzliche Aufgabe des Betriebsrats ist. Hierzu stellt das BAG fest, zu den Aufgaben des Betriebsrats gehöre es, die Belegschaft im Rahmen seiner Zuständigkeit umfassend und grundlegend zu informieren. Die Einhaltung der allgemeinen Überwachungspflichten nach §§ 75, 80 BetrVG würden verlangen, sich mit den Arbeitnehmern auszutauschen. Auch sei die sachgerechte Wahrnehmung der Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte ohne einen Informations- und Meinungstausch zwischen Betriebsrat und Belegschaft nicht denkbar.

Zutreffend hieran ist, dass der Betriebsrat seine betriebsverfassungsrechtlichen Rechte und Pflichten lediglich dann ordnungsgemäß ausüben kann, wenn er ausreichend informiert ist. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass das BetrVG den Kommunikationsaustausch zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmer bereits durch die Pflicht zur Einberufung regelmäßiger Betriebsversammlungen gemäß § 43 BetrVG geregelt hat. Zudem sind Informationsrechte und -pflichten des Betriebsrates im BetrVG üblicherweise – beispielsweise in §§ 102 Abs. 1, 106 Abs. 2 BetrVG, 111 BetrVG – auf den Austausch zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber zugeschnitten. Der Wortlaut der vom BAG zitierten Normen liefert jedoch gerade keine Anhaltspunkte für eine weitergehende Kommunikationspflicht oder -aufgabe des Betriebsrats soweit es den Austausch zwischen Belegschaft und Betriebsrat angeht.

Sind bis zu 580 Kommunikationsbeauftragte erforderlich?

Selbst wenn man „Kommunikation“ nach dem Verständnis des BAG zu einer gesetzlichen (Kern-)Aufgabe des Betriebsrats erheben will, stellt sich in jedem Einzelfall die Frage, ob die Bestellung von Kommunikationsbeauftragten erforderlich gemäß § 40 Abs. 2 BetrVG ist.

Das BAG hat sich verfahrensbedingt auch bei hunderten möglichen Kommunikationsbeauftragten nicht mit dieser Frage beschäftigen müssen. Denn auf die fehlende Erforderlichkeit hätte sich gemäß § 40 Abs. 2 BetrVG allenfalls die Arbeitgeberin, nicht aber die antragstellenden einzelnen Betriebsratsmitglieder berufen können. Ungeachtet dieser verfahrenstechnischen Finesse hätte das BAG aber durchaus die Chance ergreifen können (müssen?), deutlicher Grenzen aufzuzeigen. Insbesondere hätte das BAG, z.B. in einem obiter dictum, klarstellen können, wann Kommunikationsbeauftragte erforderlich im Sinne von § 40 Abs. 2 BetrVG sind bzw. sein können. Der entschiedene Fall hätte dafür genügend Spielraum eingeräumt. Denn Betriebsräten in größeren Betrieben wird bereits durch die entsprechend höhere personelle Stärke des Betriebsrats nebst korrespondierenden Freistellungen ausreichend Rechnung getragen. Zudem ist dem Betriebsrat gemäß § 40 Abs. 2 BetrVG auch Informations- und Kommunikationstechnik in erforderlichem Umfang zur Verfügung zu stellen. Insoweit hätte durch Nutzung der IT-Technik ein deutlich weniger kosten- und zeitintensives Mittel zum Informationsaustausch mit den Arbeitnehmern zur Verfügung gestanden.

Zeichen der Zeit vom BAG verkannt

Auf eine solche – zeitgemäßere – Wertung hätte das BAG insbesondere beim Verweis auf seine Rechtsprechung aus den 1970er Jahren hinweisen können. Denn damals mag es (vielleicht) richtig gewesen sein, dass die Betriebsversammlung kein „Monopol für den Dialog zwischen der Arbeitnehmerschaft und ihren gewählten Vertretern habe“ (vgl. BAG Beschluss vom 08.02.1977 – 1 ABR 82/74). In seiner Entscheidung aus 2015 hätte das BAG aber durchaus stärker berücksichtigen können, dass sich innerhalb der letzten vier Dekaden Kommunikationsmöglichkeiten durch zahlreiche technische Neuerungen erheblich und auch zu Gunsten des Betriebsrats verbessert haben.

Fazit

Dem Beschluss des BAG fehlen die für Arbeitgeber wichtigen Orientierungspunkte (bis zu 580 teure Kommunikationsbeauftragte bei 45 Betriebsräten in „Vollzeit“?).

Denn wichtige Nuancierung deutet die Entscheidung nur allzu vorsichtig an (Bestellung von Kommunikationsbeauftragten „nicht generell ausgeschlossen“). Gerade bei einer erheblichen Anzahl von Freistellungen und modernen Kommunikationsmitteln (Internet, Intranet) hätte eine klarere Aussage zu den Grenzen für mehr Rechtssicherheit gesorgt und zukünftigem Missbrauch vorgebeugt. Denn Arbeitgeber können durchaus berechtigte (ökonomische) Zweifel haben, ob zusätzliche Hilfspersonen in Form von Kommunikationsbeauftragten erforderlich sind, um (insbesondere wahlpolitisch motivierte) Kommunikationsbedürfnisse des Betriebsrats zu erfüllen.

Eine Bestellung von Kommunikationsbeauftragten wird daher im Regelfall nicht erforderlich sein und ohne ein Wohlwollen des Arbeitgebers auch zukünftig kaum in Betracht kommen. Streit und Gerichtsverfahren sind aber nach der Entscheidung des BAG zwischen den Betriebsparteien nicht nur „nicht generell ausgeschlossen“, sondern vielmehr vorprogrammiert.

Sollte es im Einzelfall zu einer gesetzlich erforderlichen Bestellung von Kommunikationsbeauftragten kommen, dürfen gewerkschaftlich tätige Arbeitnehmer wegen § 75 Abs. 1 BetrVG nicht bevorzugt werden. Falls der Betriebsrat beharrlich gegen diesen Grundsatz verstößt, kommt das Auflösungsverfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG in Betracht. Zugleich sollte der Arbeitgeber im Hinblick auf die Unzulässigkeit der Wahlbeeinflussung beobachten, ob im Einzelfall eine Vermengung von Gewerkschafts- und Betriebsratsarbeit erfolgt. Bei entsprechenden Gesetzesverstößen kann die Wahlanfechtung sowie – im Extremfall – das Ordnungswidrigkeitsverfahren nach § 119 BetrVG helfen.

Zu den Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers bei Pflichtverstößen des Betriebsrats siehe den Beitrag in diesem Blog vom 3. November 2016.

Dr. Markus Janko 

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Markus Janko berät Arbeitgeber ins­be­son­dere bei Umstruk­tu­rie­run­gen, Unter­neh­mens­käu­fen und Due Diligence-Prozessen. Besondere Expertise besitzt er in der Unterstützung inter­na­tio­na­ler Konzerne, dem Einsatz von Trans­fer­ge­sell­schaf­ten und im Insol­venz­ar­beits­recht. Hier zeichnet er sich durch die Beratung namhafter Insol­venz­ver­wal­ter in großen Insol­venz­ver­fah­ren sowie von Unter­neh­men bei Unter­neh­mens­käu­fen aus der Insolvenz und der arbeits­recht­li­chen Sanierung in Schutz­schirm­ver­fah­ren aus. Er ist Mitglied der Fokusgruppe „Digitalisierung und Mitbestimmung“.
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