open search
close
AGB Mindestlohn

Ausschlussklausel „ohne MiLoG“ – Haftung ohne Ende?

Print Friendly, PDF & Email
Ausschlussklausel

Die rechtlich saubere Gestaltung von Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen hat schon immer hohe wirtschaftliche Bedeutung. Seit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes (MiLoG) hat sich diese noch weiter erhöht, brachte dies doch die Frage mit sich: Ist eine (post-MiLoG) vereinbarte Ausschlussklausel, die Ansprüche auf den Mindestlohn nicht ausdrücklich ausschließt, insgesamt unwirksam – oder hilft sie nur insoweit nicht, als Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn betroffen sind? Das LAG Nürnberg beantwortet die Frage in einer aktuellen Entscheidung eindeutig.

Der Hintergrund: Ausschlussfristen und unverzichtbare Ansprüche

Arbeitsverträge erhalten regelmäßig Ausschlussfristen, nach denen Ansprüche der Vertragsparteien verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer bestimmten Frist schriftlich geltend gemacht werden. Derartige Regelungen – wie auch allgemeine Abgeltungsklauseln – nehmen typischerweise bestimmte („unverzichtbare“) Ansprüche aus, z.B. Betriebsrentenansprüche sowie Formen deliktischer Haftung.

Das Bundesarbeitsgericht hat vor einem Jahr bereits entschieden, dass arbeitsvertragliche Ausschlussklauseln, die auch den Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche (PflegeArbV) erfassen, insgesamt unwirksam sind (Urteil vom 24.08.2016 – 5 AZR 703/15). Die Klausel könne nicht für andere Ansprüche aufrechterhalten werden, weil dem das Transparenzgebot gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB entgegenstehe. Eine auf den gesetzlichen Mindestlohn übertragbare Argumentation?

Die Entscheidung des LAG Nürnberg

Im durch das LAG Nürnberg (Urteil vom 09.05.2017 – 7 Sa 560/16) entschiedenen Fall machte der Kläger Ansprüche auf Urlaubs- und Überstundenabgeltung gegen die beklagte Arbeitgeberin geltend. Der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag enthielt die folgende (sog. zweistufige) Ausschlussklausel:

Ansprüche beider Parteien aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit schriftlich gegenüber der Gegenseite geltend gemacht werden. Entscheidend ist der Zugang des Schreibens. Nach Ablauf der Frist kann der Anspruch nicht mehr geltend gemacht werden.

Lehnt die Gegenseite den Anspruch ab oder äußert sich nicht innerhalb von zwei Wochen ab Zugang der Geltendmachung, so ist der Anspruch innerhalb von weiteren drei Monaten ab Zugang der Ablehnung bzw. Ablauf der Zweiwochenfrist bei Gericht anhängig zu machen. Andernfalls ist der Anspruch verfallen und kann nicht mehr geltend gemacht werden.

Das Gericht wies die Klage ab.


Keine Gesamtunwirksamkeit der Ausschlussklausel

Der Kläger habe erst nach Ablauf der in der Ausschlussklausel vorgesehenen Frist Klage beim Arbeitsgericht Nürnberg erhoben. Die arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist sei nicht insgesamt unwirksam, sondern nur insoweit unbeachtlich, als Ansprüche auf Mindestlohn tangiert seien. Dies begründet das LAG Nürnberg zunächst mit Blick auf das MiLoG wie folgt:

  • Ziel des Gesetzgebers sei es u.a, gewesen, mit dem MiLoG die Arbeitnehmer vor unangemessen niedrigen Löhnen zu schützen. Dagegen sei es nicht das Anliegen des Gesetzgebers gewesen, arbeitsvertragliche Ausschlussfristen generell zu unterbinden.
  • § 3 Satz 1 MiLoG bestimme daher nur, dass Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam seien. Durch diesen Wortlaut sei die Ausschlussfrist rechtlich zwingend nur insoweit unwirksam, wie sie Ansprüche auf Mindestlohn ausschließen würde. Diese Auslegung gebiete das rechtsstaatliche Prinzip der Gewaltenteilung.
  • Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Urlaubsabgeltung unterfalle nicht dem MiLoG. Auch hinsichtlich der geltend gemachten Überstunden bestehe kein Anspruch nach dem Mindestlohngesetz, da die Grundvergütung des Klägers den Mindestlohn überstieg.

Keine AGB-rechtlichen Besonderheiten

Weiter meinte das LAG Nürnberg: Die Klausel halte auch einer AGB-Kontrolle stand. Insbesondere sei das Transparenzgebot des § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB nicht verletzt. Eine Klausel, deren Wortlaut ein gesetzliches Verbot (wie § 3 Satz 1 MiLoG) nicht wiedergebe, sei nicht intransparent, sondern insoweit unwirksam. Gesetzliche Verbote gälten ersichtlich für jedermann und seien insbesondere auch Arbeitnehmern zugänglich. Die Arbeitnehmer würden auch ohne den ausdrücklichen Ausschluss der Ansprüche auf den Mindestlohn nicht davon abgehalten, ihre Rechte geltend zu machen.

Bewertung und Ausblick: Was heißt das für Arbeitgeber?

Die Entscheidung des LAG Nürnberg ist jedenfalls hinsichtlich des MiLoG-Aspektes stringent. Der „insoweit“ klare Wortlaut des § 3 S. 1 MiLoG muss beachtet werden. Was das BAG daraus macht, ist jedoch abzuwarten: derzeit ist die Revision anhängig (Az. 9 AZR 262/17). Für den Moment bietet das LAG-Urteil jedenfalls eine wertvolle Argumentationshilfe für Arbeitgeber, die sich in streitigen Auseinandersetzungen rund um Ausschlussfristen befinden.

Das BAG hatte in der Entscheidung zu § 2 PflegeArbV bereits mehrmals ausdrücklich Parallelen zum MiLoG betont. Auch wenn es sich hier durch die Argumentation des LAG Nürnberg überzeugen lässt, bleibt die Möglichkeit, dass sich das BAG mit der Frage der Reichweite der Ausschlussklausel gar nicht auseinandersetzen, sondern eine Klausel ohne ausdrückliche Herausnahme von Ansprüchen auf den gesetzlichen Mindestlohn auch an § 307 Abs. 1 S. 2 BGB scheitern lassen könnte.

Gestaltungsempfehlung:

Neuverträge sollten bis auf Weiteres ausdrücklich Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn aus Abgeltungs- und Ausschlussklauseln ausnehmen.

Einigermaßen sicher sind Altarbeitsverträge: Hier hatte das BAG schon angedeutet, dass solche Verträge, die vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes unterzeichnet wurden, nicht nachträglich unwirksam werden.

 

Vertiefungshinweis:

Mit dem Urteil des BAG zu § 2 PflegeArbV setzt sich Lars Christian Möller im Blog-Beitrag „Der Mindestlohn ist sicher“ – trotz Ausschlussfrist“ auseinander.

KLIEMT.Arbeitsrecht




Wir sind Deutsch­lands führende Spe­zi­al­kanz­lei für Arbeits­recht (bereits vier Mal vom JUVE-Handbuch als „Kanzlei des Jahres für Arbeitsrecht“ ausgezeichnet). Rund 90 erst­klas­sige Arbeits­rechts­exper­ten beraten Sie bundesweit von unseren Büros in Düs­sel­dorf, Berlin, Frankfurt, München und Hamburg aus. Kompetent, persönlich und mit Blick für das Wesent­li­che. Schnell und effektiv sind wir auch bei komplexen und grenz­über­schrei­ten­den Projekten: Als einziges deutsches Mitglied von Ius Laboris, der weltweiten Allianz der führenden Arbeitsrechtskanzleien bieten wir eine erstklassige globale Rechtsberatung in allen HR-relevanten Bereichen.
Verwandte Beiträge
Compliance Datenschutz Individualarbeitsrecht Kollektivarbeitsrecht Neueste Beiträge Restrukturierung Top-Management Vergütung

Top 6 des Jahres 2023 aus arbeitsrechtlicher Sicht

Das Jahr 2023 ist nun beinahe wieder vorbei. Zur Anheizung der weihnachtlichen Vorfreude lesen Sie hier unseren Jahresrückblick auf eine kleine Auswahl an besonders beachtenswerten und für das Arbeitsrecht relevanten Urteilen – u.a. zu den Themen Equal Pay, Beweisverwertungsverbote, Geschäftsführerhaftung, Outsourcing und Strafrecht. Wie in jedem Jahr gab es auch in 2023 wieder einige Gerichtsentscheidungen, die in einem arbeitsrechtlichen Jahresrückblick nicht fehlen dürfen. Unsere diesjährigen…
Kollektivarbeitsrecht Neueste Beiträge

Vergütung von Betriebsräten: Müssen Arbeitgeber (un)begrenzt nachzahlen?

Wer sich wie wir aktuell mit der anstehenden Gesetzesnovelle zur Betriebsratsvergütung (Blogbeitrag vom 17.10.2023) und den Auswirkungen auf die arbeitsrechtliche Compliance auseinandersetzt, wird früher oder später auch an dieser Frage nicht vorbeikommen: Dürfen und müssen sich Arbeitgeber auf eine vertragliche Ausschlussfrist berufen, wenn ein Betriebsrat einen Anspruch wegen einer in der Vergangenheit zu gering bemessenen Vergütung geltend macht? Welche Rolle spielt § 242 BGB? Und…
Compliance Mindestlohn Neueste Beiträge

Persönliche Haftung des Geschäftsführers für Compliance-Verstöße?

Hier: Nichtzahlung des gesetzlichen Mindestengelts Verstoßen Unternehmen im Kontext der Beschäftigung von Mitarbeitern gegen gesetzliche Regelungen, steht auch die Frage nach persönlicher Haftung der Geschäftsführung im Raum. Hier mag man an Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz oder auch sozialversicherungsrechtliche Beitragsabführungspflichten denken. Dabei geht es einerseits um Ordnungswidrigkeiten oder Straftatbestände, andererseits aber auch um die zivilrechtliche persönliche Haftung der Geschäftsführung. Eine neuere Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts…
Abonnieren Sie den kostenfreien KLIEMT-Newsletter.
Jetzt anmelden und informiert bleiben.

 

Die Abmeldung ist jederzeit möglich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert