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Arbeitsvertrag Betriebsrat Einstellung

Zustimmungsersetzung: Kein Durchführungsanspruch des Arbeitnehmers

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Einstellung

Die Aufnahme der Tätigkeit eines Arbeitnehmers in einem mitbestimmten Betrieb steht unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Betriebsrats. Dies gilt im Falle der Einstellung und im Falle der Versetzung. Verweigert der Betriebsrat diese Zustimmung mit guter oder schlechter Begründung, ärgert dies nicht nur den Arbeitgeber. Auch der Arbeitnehmer ist nachhaltig betroffen, wird doch seine zukünftige Tätigkeit im Betrieb verhindert – ggf. mit schwerwiegenden Konsequenzen. Trotzdem kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber keine Maßnahmen gegen den Betriebsrat zur Durchsetzung seiner Beschäftigung verlangen. Dies hat das BAG nunmehr entschieden (BAG v. 21.2.2017 – 1 AZR 367/15).

Betriebsrat verhindert Beschäftigung

Der Sachverhalt der Entscheidung des BAG war recht komplex: Der Arbeitnehmer war schon seit längerer Zeit bei seinem Arbeitgeber, einem Betreiber von Spielhallen, als Bereichsleiter „Klassisches Spiel“ beschäftigt, und zwar zunächst in der Spielbank B. Im Verlaufe der Zeit versetzte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit dessen Einverständnis in die Spielbank D, wo er dieselbe Funktion ausüben sollte. Dabei unterließ es der Arbeitgeber jedoch, die Zustimmung des dortigen Betriebsrates einzuholen. Diese Zustimmung war jedoch erforderlich, da die Versetzung für den aufnehmenden Betrieb eine zustimmungspflichtige Einstellung bedeutete. Der Betriebsrat leitete daher erfolgreich ein Beschlussverfahren ein, um die Aufhebung der Einstellung zu erwirken. Damit durfte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer fortan in der Spielbank D nicht mehr einsetzen.

Die Reaktion des Arbeitgebers fiel zulasten des Arbeitnehmers aus: Er stellte den Arbeitnehmer zunächst frei und sprach in der Folgezeit mehrere Kündigungen aus, die sich in den anschließenden Kündigungsschutzverfahren als unwirksam erwiesen. Nachdem der Arbeitnehmer zuletzt schriftlich seinen Beschäftigungsanspruch eingefordert hatte, beantragte der Arbeitgeber beim Betriebsrat der Spielbank D endlich die Zustimmung zur Einstellung. Der Betriebsrat verweigerte jedoch seine Zustimmung und berief sich dabei auf gleich mehrere Zustimmungsverweigerungsgründe. Ein Zustimmungsersetzungsverfahren zog der Arbeitgeber nicht in Betracht. Der Arbeitnehmer versuchte daher auf dem Klageweg, eine Verurteilung des Arbeitgebers zur Durchführung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens zu erreichen – letztlich ohne Erfolg.


Verpflichtung zur Durchführung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens – nur als Ausnahme

Das BAG nutzte die Entscheidung, grundlegend zur arbeitsrechtlichen Situation im Verhältnis von Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Falle der Zustimmungsverweigerung des Betriebsrates Stellung zu nehmen: Grundsätzlich treffe den Arbeitgeber bei Verweigerung einer nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erforderlichen Zustimmung durch den Betriebsrat keine Verpflichtung zur Einleitung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens. Lediglich in wenigen Ausnahmefällen könne der Arbeitgeber zur Durchführung eines solchen Verfahrens verpflichtet sein. Dies könne etwa für den Fall einer Selbstbindung des Arbeitgebers gelten, wobei dafür besondere Anhaltspunkte bestehen müssen. Ferner könne ein solcher Anspruch im Falle eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen den Betriebsparteien bestehen. Schließlich sei der Arbeitgeber von Gesetzes wegen bei Schwerbehinderten aufgrund des in § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX verankerten Beschäftigungsanspruchs dazu verpflichtet, ein gerichtliches Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen, wenn er erkennt, dass die geltend gemachten Zustimmungsverweigerungsgründe nicht vorliegen.

Ermessensentscheidung des Arbeitgebers

Die Berufungsinstanz (LAG Hamm v. 12.5.2015 – 14 Sa 904/14) hatte im Übrigen aus der allgemeinen Rücksichtnahmepflicht des § 241 Abs. 2 BGB einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Durchführung des Zustimmungsersetzungsverfahrens hergeleitet. Dem erteilte das BAG eine Absage. Zwar könne die Rücksichtnahmepflicht ausnahmsweise einer Vertragspartei gebieten, die Interessen der anderen aktiv gegenüber Dritten wahrzunehmen. Die Regelung des § 241 Abs. 2 BGB verlange jedoch nicht vom Arbeitgeber, seine eigenen schutzwürdigen Interessen zugunsten der Interessen des Arbeitnehmers zurückzustellen. Ein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers liege darin, selbst zu entscheiden, ob er von seinem Recht auf Einleitung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens Gebrauch machen und sich damit in eine gerichtliche Auseinandersetzung mit seinem Betriebsrat begeben will oder ob er hiervon lieber Abstand nehmen möchte. Der Arbeitgeber sei daher nicht gehalten, im Interesse des Arbeitnehmers von einem ihm (dem Arbeitgeber) zustehenden Recht Gebrauch zu machen, wenn dies für ihn die Gefahr begründet, einen Rechtsstreit führen zu müssen.

Im Übrigen sei auch ohne Belang, aus welchem Grund der Betriebsrat die Zustimmung zu der geplanten Einstellung verweigert habe. Das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren bezwecke keinen individualrechtlichen Schutz. Es sei nicht darauf ausgerichtet, etwaige aus Sicht des Arbeitnehmers vom Betriebsrat zu Unrecht gegen ihn erhobene Vorwürfe richtig zu stellen. Vielmehr diene es ausschließlich der Kompetenzbestimmung und -abgrenzung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

Arbeitnehmer sind nicht (immer) schutzlos

Für den betroffenen Arbeitnehmer mag das Ergebnis unbefriedigend sein. Gleichwohl ist der Arbeitnehmer nicht völlig schutzlos gestellt: Verweigert der Betriebsrat im Falle einer einvernehmlichen Versetzung seine Zustimmung, ist die Versetzung unwirksam. Der Arbeitnehmer bleibt daher betriebsverfassungsrechtlich seinem früheren Betrieb zugeordnet und kann dort vertragsgemäße Beschäftigung verlangen. Bei einer Neueinstellung kommt dem Arbeitnehmer immerhin zugute, dass der Arbeitsvertrag grundsätzlich wirksam ist, sodass er vom Arbeitgeber für die Zeit der Nichtbeschäftigung Annahmeverzugslohn verlangen kann.

Der Betriebsrat hat jedoch einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die tatsächliche Beschäftigung des Arbeitnehmers und kann diese unter Umständen gänzlich verhindern. Insbesondere im Falle der Einstellung des Arbeitnehmers trifft diesen die Zustimmungsverweigerung besonders hart: In den meisten Fällen wird der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Wege einer Probezeitkündigung unter Einhaltung einer zweiwöchigen Frist kündigen können, ohne dass der Arbeitnehmer Kündigungsschutz oder sonstigen Rechtsschutz gegen die Zustimmungsverweigerung genießt. Der Annahmeverzugslohn dürfte dem Arbeitnehmer dann nur ein kleiner Trost sein. Von den erwähnten Ausnahmen abgesehen ist der Arbeitnehmer vom Wohlwollen des Arbeitgebers abhängig. Er kann letztlich nur noch darauf hoffen, dass der Arbeitgeber bereit ist, von seinem Recht auf Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens Gebrauch zu machen.

KLIEMT.Arbeitsrecht




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