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AGB Kündigung, allgemein

Kündigungsfristen: Vertraglich für immer gebunden?

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Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte vergangenen Donnerstag zu entscheiden, ob eine gegenüber den gesetzlichen Vorgaben erheblich verlängerte Kündigungsfrist (hier: drei Jahre zum Monatsende!) arbeitsvertraglich wirksam vereinbart werden kann. Der Pressemitteilung des BAG (6 AZR 158/16) ist zu entnehmen, dass die lange Kündigungsfrist den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt und deshalb unwirksam gewesen sei. Aber muss das immer so sein? Denn verlängerte Kündigungsfristen sind gerade bei hochqualifizierten Arbeitnehmern durchaus üblich. Wo genau die Grenzen liegen, lässt das BAG offen.

Hintergrund zur verlängerten Kündigungsfrist

Der Beklagte war als Speditionskaufmann seit dem 01.12.2009 bei der Arbeitgeberin (der hiesigen Klägerin) zu einem Monatsgehalt in Höhe von 1.400,00 EUR und einer ursprünglich vorgesehenen Kündigungsfrist von vier Wochen tätig.

Im Verlauf des Arbeitsverhältnisses unterzeichneten die Parteien am 14.06.2012 eine Zusatzvereinbarung. Nach dieser sollte der Beklagte eine Gehaltserhöhung auf EUR 2.400,00 erhalten, welche ab einem durch ihn veranlassten monatlichen Reinerlös von EUR 20.000,00 auf EUR 2.800,00 steigen konnte, was eine Steigerung von 100 % bedeutet. Das vereinbarte Gehalt sollte bis zum 30.05.2015 nicht erhöht werden und bei späterer Neufestsetzung wieder für mindestens zwei Jahre unverändert bestehen. Im Hinblick auf die Gehaltserhöhung wurde die Kündigungsfrist für beide Seiten auf drei Jahre zum Monatsende verlängert.

2014 installierte die Klägerin das Programm „PC Agent“ über den zentralen Server der Niederlassung auf allen Computerarbeitsplätzen. Das Programm war in der Lage, die Arbeitnehmer zu überwachen, indem u.a. alle Tastaturanschläge, Mausklicks, Benutzeran- und -abmeldungen, besuchte Websites, Formulardaten, empfangene und gesendete E-Mails sowie Passwörter und Authentifizierungen kontrolliert werden können. Nachdem dies bekannt wurde, kündigten sechs der sieben in der Niederlassung Beschäftigten – darunter auch der Beklagte – ihr Arbeitsverhältnis. Die Kündigung des Beklagten erfolgte am 27.12.2014 ordentlich zum 31.01.2015. Das BAG entschied, dass die nachträglich vereinbarte verlängerte Kündigungsfrist nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam war und der Beklagte deshalb das Arbeitsverhältnis wirksam zum 31.01.2015 gekündigt hatte.


Die gesetzliche Kündigungsfrist nach § 622 BGB

Gemäß § 622 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis durch einen Arbeitnehmer mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden. Demgegenüber verlängern sich die Kündigungsfristen für den Arbeitgeber gem. § 622 Abs. 2 BGB je nach Dauer des Bestands des Arbeitsverhältnisses. Kann der Arbeitgeber am Anfang des Arbeitsverhältnisses ebenfalls mit der in § 622 Abs. 1 BGB vorgesehenen Frist kündigen, verlängert sich diese nach zweijährigem Bestand des Arbeitsverhältnisses auf einen Monat zum Ende eines Kalendermonats, nach fünfjährigem Bestand des Arbeitsverhältnisses auf zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats usw.

Vertragliche Verlängerung der Kündigungsfristen

Eine vertragliche Verkürzung der Kündigungsfristen ist gemäß § 622 Abs. 5 BGB nur unter engen Voraussetzungen möglich. Die Verlängerung der Kündigungsfrist ist demgegenüber naturgemäß weniger schutzbedürftig. In der Praxis finden sich in Arbeitsverträgen häufig etwa Kündigungsfristen von drei Monaten zum Monats- oder Quartalsende oder auch zum Ende eines Kalenderjahres. Das BAG bestätigte seinerzeit (Urt. v. 25.09.2008 – 8 AZR 717/07) die Wirksamkeit einer Kündigungsfrist von zwei Monaten zum jeweils 31.07 eines Jahres.

Eine gesetzliche Vorgabe hierzu findet sich in § 622 Abs. 6 BGB: Danach darf für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber. Daraus folgt auch, dass die Verlängerung der arbeitnehmerseitigen Kündigungsfrist grundsätzlich möglich ist, wenn sich die Kündigungsfristen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber entsprechen.

15 Abs. 4 TzBfG sieht daneben eine zeitliche Einschränkung der Verlängerungsmöglichkeit vor: Wenn das Arbeitsverhältnis für die Lebenszeit einer Person oder für längere Zeit als fünf Jahre eingegangen ist, kann es durch den Arbeitnehmer nach Ablauf von fünf Jahren gekündigt werden. Die Kündigungsfrist beträgt dann sechs Monate. Man sollte annehmen, dass vertragliche Kündigungsfristen deshalb stets bis zu einer Höchstgrenze von fünfeinhalb Jahren vereinbart werden dürfen. Dem hat das BAG aber – jedenfalls so pauschal – eine Absage erteilt.

Hier: Drei Jahre zum Monatsende

Denn nach der nunmehr ergangenen Entscheidung des BAG war jedenfalls eine Vereinbarung, wonach die Kündigungsfrist drei Jahre zum Monatsende beträgt, rechtswidrig. Die verlängerte Kündigungsfrist, so das BAG und auch die Vorinstanz (LAG Sachsen, Urt. v. 19.01.2016 – 3 Sa 406/15), stelle eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB dar und sei deshalb unwirksam.

In seiner Pressemitteilung führt das BAG hierzu aus, dass bei einer vom Arbeitgeber – wie hier – vorformulierten Kündigungsfrist, die zwar die Grenzen des § 622 Abs. 6 BGB und des § 15 Abs. 4 TzBfG einhält, aber wesentlich länger ist als die in § 622 Abs. 1 BGB vorgegebene gesetzliche Regelfrist, nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls und unter Beachtung von Art. 12 Abs. 1 GG zu prüfen sei, ob die verlängerte Frist eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit darstelle. Dies bejahte das BAG im vorliegenden Fall, weil der Nachteil für den Beklagten nicht durch die vorgesehene Gehaltserhöhung aufgewogen wurde und außerdem das Vergütungsniveau in der Zusatzvereinbarung langfristig eingefroren worden sei.

Fazit

Das BAG erteilt einer Kündigungsfrist von drei Jahren zum Monatsende zwar nicht pauschal eine Absage, sondern lässt vielmehr offen, ob eine entsprechend hohe Gehaltserhöhung/finanzielle Kompensation und das Unterlassen eines Einfrierens des Vergütungsniveaus dazu geführt hätten, dass die vereinbarte Kündigungsfrist nicht unwirksam gewesen wäre. Gleichwohl ist Arbeitgebern – bevor das BAG ggf. zu einer Konkretisierung veranlasst wird – nicht zu empfehlen, Kündigungsfristen zu vereinbaren, die über die vom BAG zuletzt in seinem Urteil vom 25.09.2008 bestätigte Kündigungsfrist zu einem jährlichen Stichtag hinausgehen, wobei es insoweit nicht darauf ankommen dürfte, ob die Frist zwei, drei oder auch sechs Monate beträgt.

KLIEMT.Arbeitsrecht




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