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Betriebsrat Interessenausgleich Kündigung, betriebsbedingt

Interessenausgleich mit Namensliste – Der Teufel steckt im Detail

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Ein Interessenausgleich mit Namensliste bietet dem Arbeitgeber erhebliche Erleichterungen im Kündigungsschutzverfahren. Grund zur Freude also, wenn mit dem Betriebsrat eine inhaltliche Einigung über einen Interessenausgleich mit Namensliste gelingt. Die Einhaltung der nötigen Formalien ist dann vermeintlich nur noch Nebensache. Aber Vorsicht: Es gelten strenge Formvorgaben. Diesbezügliche Verstöße können den Arbeitgeber um die beabsichtigten – nicht selten sogar durch einen hoch dotierten Sozialplan erkauften – Erleichterungen bringen. Es ist daher ratsam, sich mit den geltenden Vorgaben auseinanderzusetzen. Denn der Teufel steckt im Detail.

Vorteile eines Interessenausgleichs mit Namensliste

Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für die Wirksamkeit der von ihm ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung. Er muss insbesondere darlegen und im Streitfall beweisen, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Auch die Durchführung einer Sozialauswahl kann gerichtlich überprüft werden. Die Anforderungen sind hoch. Darlegungs- und Beweisschwierigkeiten gehen zudem zulasten des Arbeitgebers. Von besonderem Wert sind daher entsprechende Erleichterungen. Hier kommt der Interessenausgleich mit Namensliste ins Spiel. Es handelt sich dabei um einen Interessenausgleich zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, in welchem als Besonderheit die zu kündigenden Mitarbeiter bereits namentlich bezeichnet sind. Doch welche Vorteile bietet ein solcher Interessenausgleich für den Arbeitgeber? Zum einen wird in einem Kündigungsschutzverfahren zugunsten des Arbeitgebers vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist (§ 1 Abs. 5 S. 1 KSchG). Es kommt insofern zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast. Nun ist der Arbeitnehmer in der Pflicht, das Fehlen eines Kündigungsgrundes zu begründen. Zum anderen kann die Sozialauswahl vom Arbeitsgericht nur noch auf grobe Fehler überprüft werden (§ 1 Abs. 5 S. 2 KSchG). Die genannten Vorteile kommen allerdings nur zur Geltung, wenn der Interessenausgleich mit Namensliste formwirksam zustande gekommen ist. Hier gelten besondere Spielregeln.

Welche Formvorschriften gelten für den Interessenausgleich mit Namensliste?

Ein Interessenausgleich mit Namensliste muss schriftlich niedergelegt und von Betriebsrat und Unternehmer unterschrieben werden (§§ 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG, 1 Abs. 5 KschG). Die Schriftform erfordert, dass die Parteien eigenhändig durch Namensunterschrift auf derselben Urkunde unterzeichnen („Einheitlichkeit der Urkunde“). Sinn und Zweck dieser Formvorgabe ist es, Zweifel am Zustandekommen und dem Inhalt der vereinbarten Kollektivregelung auszuschließen. Dies ist durchaus verständlich, sind doch auch Dritte, nämlich die Mitarbeiter, von dem Interessenausgleich betroffen. Anders als es der Wortlaut vermuten lässt, erfordert die „Unterschrift auf derselben Urkunde“ jedoch nicht, dass Interessenausgleich und Namensliste formal ein einziges Dokument bilden. Die Namensliste muss also nicht in den Interessenausgleich integriert sein. Vielmehr kann sie dem Interessenausgleich auch als separate Anlage beigefügt werden. Diese Variante wird in der Praxis häufig genutzt. Es lauern jedoch Fallstricke, wobei zwischen zwei Konstellationen zu unterscheiden ist:

Erste Konstellation: Unterschrift nur unter dem Interessenausgleich

In der Praxis werden der Interessenausgleich und die Namensliste als Anlage oftmals zeitgleich erstellt. Es ist dann bisweilen zu beobachten, dass die Betriebsparteien zwar den Interessenausgleich unterzeichnen, die Namensliste jedoch ohne Unterschrift als Anlage beifügen. Auf den ersten Blick ist die Schriftform hier nicht gewahrt, da keine Unterschrift auf einer „einheitlichen Urkunde“ vorliegt. Es kommt jedoch auf die konkrete Vorgehensweise an. Das BAG lässt eine Unterschrift unter dem Interessenausgleich ausreichen, wenn

  • der Interessenausgleich auf die Namensliste Bezug nimmt und
  • Interessenausgleich und Namensliste schon bei der Unterzeichnung des Interessenausgleichs mit einer Heftmaschine so fest miteinander verbunden sind, dass eine Trennung von beiden nur durch Gewaltanwendung (Lösen der Heftklammer) möglich ist.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, erstreckt sich die eine Unterschrift unter dem Interessenausgleich auch auf die als Anlage beigefügte nicht-unterzeichnete Namensliste (BAG v. 12.5.2010 – 2 AZR 551/08). Wichtig: Eine nachträgliche körperliche Verbindung beider Dokumente ist hier nicht ausreichend.

Zweite Konstellation: Namensliste wird nachträglich erstellt

Die Namensliste kann grundsätzlich auch erst zeitlich nach Abschluss des Interessenausgleichs erstellt werden. In diesem Fall ist die Schriftform gewahrt, wenn

  • sowohl der Interessenausgleich als auch die separate Namensliste von den Betriebsparteien unterschrieben wird und
  • beide Dokumente wechselseitig auf einander Bezug nehmen.

Eine einseitige Bezugnahme erfüllt die Voraussetzungen nicht. Die Namensliste muss unmissverständlich darauf gerichtet sein, Bestandteil eines ganz bestimmten Interessenausgleichs zu sein (BAG v. 19.7.2012 – 2 AZR 352/11). Einer körperlichen Verbindung bedarf es in dieser Konstellation hingegen nicht.

Fazit

Die Darlegungs- und Beweiserleichterungen eines Interessenausgleichs mit Namensliste kommen nur dann zum Tragen, wenn der Interessenausgleich formwirksam abgeschlossen wurde. Der Arbeitgeber sollte der Einhaltung der Schriftform daher besondere Aufmerksamkeit widmen. Am sichersten dürfte es sein, die Namensliste unmittelbar in den Text des anschließend unterzeichneten Interessenausgleichs zu integrieren. Wird die Namensliste demgegenüber – wie häufig – als separates Dokument erstellt, kommt es auf die Details an. Die Betriebsparteien gehen auf Nummer sicher („Gürtel und Hosenträger“), wenn Interessenausgleich und Namensliste wechselseitig auf einander Bezug nehmen, eine körperliche Verbindung vor der Unterzeichnung vorgenommen wird und beide Dokumente (nach der körperlichen Verbindung) von den Betriebsparteien unterschrieben werden. Es sollte dann – jedenfalls was die Form angeht – nichts mehr schief gehen.

Vanessa Heuer

Rechts­an­wäl­tin

Senior Associate
Vanessa Heuer berät Arbeitgeber vorwiegend zu Fragen der Ver­trags­ge­stal­tung und des Arbeits­kampf­rechts sowie zu Kün­di­gungs­schutz­ver­fah­ren.
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