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Betriebsrat Einigungsstelle

Externe Beisitzer des Betriebsrats in der Einigungsstelle – Immer zu bezahlen?

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Betriebsrat Einigungsstelle

Wenn Unternehmen und Betriebsrat eine Meinungsverschiedenheit im Einigungsstellenverfahren austragen, muss der Arbeitgeber hierfür die Kosten tragen. Ein nicht unerheblicher Teil der Kosten fällt dabei – neben der Vergütung des Vorsitzenden der Einigungsstelle – für die Vergütung betriebsfremder Beisitzer an. Die Kosten für Beisitzer auf Unternehmensseite kann das Unternehmen selbst steuern. Bei den Kosten für betriebsfremde Beisitzer auf Betriebsratsseite sieht die Sache hingegen anders aus. Dass aber auch hier Grenzen gelten (müssen), zeigt eine aktuelle Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg (Urteil vom 19. September 2017, 2 TaBV 75/16) eindrucksvoll auf.

Was war passiert?

Das beklagte Unternehmen und ihr Betriebsrat stritten über Umkleidezeiten. Nachdem im Verhandlungswege keine Einigung erzielt werden konnte, beantragte der Betriebsrat beim Arbeitsgericht die Einsetzung einer Einigungsstelle. Jedenfalls aus Sicht des Unternehmens hatten sich die Betriebsparteien bereits im Vorfeld des gerichtlichen Einsetzungsverfahrens über die Beisitzer geeinigt. Denn die Geschäftsleitung hatte dem Betriebsratsvorsitzenden mitgeteilt, sie gehe davon aus, der Betriebsrat werde zwei Betriebsfremde (einen Gewerkschaftsvertreter und einen Rechtsanwalt) sowie ein Betriebsratsmitglied als Beisitzer bestellen. Der Betriebsratsvorsitzende ließ diese Mitteilung unwidersprochen. Die Einigungsstelle wurde sodann durch gerichtlichen Vergleich im Einsetzungsverfahren gebildet. Die Anzahl der Beisitzer wurde pro Seite auf 3 festgesetzt.

In der Folge bestellte der Betriebsrat für die Einigungsstelle jedoch insgesamt drei betriebsfremde Beisitzer: Einen Vertreter der Gewerkschaft; sodann den Rechtsanwalt, der den Betriebsrat bereits vor der Einigungsstelle in dieser Sache beraten hatte (Kanzleigründer und Fachanwalt für Arbeitsrecht) sowie auf Anraten des Kanzleigründers einen weiteren Rechtsanwalt aus dessen Kanzlei, der dem Betriebsratsvorsitzenden vorher noch nicht einmal bekannt war und nach Einschätzung des Unternehmens lediglich zu „Ausbildungszwecken“ tätig wurde. Der Betriebsratsvorsitzende wurde zusätzlich als Vertreter in die Einigungsstelle entsandt. Drei weitere Betriebsratsmitglieder haben als „Beobachter“ an der Einigungsstelle teilgenommen. Das Unternehmen weigerte sich in der Folge, die Vergütung für beide Rechtsanwälte zu zahlen. Bezahlt wurde nur einer der beiden Rechtsanwälte – nämlich derjenige, welcher den Betriebsrat bereits zuvor beraten hatte. Der andere Rechtsanwalt wurde nicht bezahlt und klagte seine Vergütung daraufhin ein.


Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hat den Vergütungsanspruch des klagenden Rechtsanwalts zwar im Ergebnis bejaht. Dies jedoch versehen mit dem deutlichen Hinweis, dass der Betriebsrat rechtswidrig gehandelt hatte und daher ein Regress der Arbeitgeberin denkbar ist.

Doppelt hält besser?

Die Kammer fand klare Worte für das Vorgehen des Betriebsrats. Es sei kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, zwei Rechtsanwälte – noch dazu aus derselben Kanzlei – in die Einigungsstelle zu entsenden. Der zuvor nicht im Mandat tätige Rechtsanwalt habe keinerlei Fachwissen oder Qualifikationen einbringen können, die nicht schon durch den im Vorfeld beratenden Rechtsanwalt abgedeckt waren. Auch sonst habe der Betriebsrat mit der kostenauslösenden Bestellung des betriebsfremden zweiten Rechtsanwalts keinen erkennbaren sachgerechten Zweck verfolgt. Insoweit hätte es nach dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit nahegelegen, dass der Betriebsrat entweder einen internen Beisitzer entsendet oder aber anbietet, die Zahl der Beisitzer auf jeweils zwei zu verringern, um das Unternehmen nicht mit unnötigen Kosten zu belasten. Wie die Teilnahme des Betriebsratsvorsitzenden an der Einigungsstelle als Vertreter zeige, hätte auch ohne weiteres ein betriebsinterner Beisitzer zur Verfügung gestanden.

Anspruch des Beisitzers bleibt unberührt

Trotz dieses Verstoßes des Betriebsrats gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit kam das Landesarbeitsgericht Nürnberg jedoch nicht daran vorbei, dem klagenden Rechtsanwalt seinen Vergütungsanspruch zuzusprechen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird die Auswahlbefugnis des Betriebsrats bei der Benennung von Beisitzern – anders als z.B. bei Betriebsratsschulungen oder der Einbindung von Sachverständigen – nicht durch das Kriterium der „Erforderlichkeit“ beschränkt. Der Wortlaut des maßgeblichen § 76a Abs. 3 BetrVG gebe eine derartige Beschränkung nicht her.

Nach Auffassung des Gerichts stehe die sachwidrige Bestellung des zuvor nicht im Mandat tätigen Rechtsanwalts dem Honoraranspruch auch nicht unter anderen Gesichtspunkten entgegen. Die mit der sachwidrigen Bestellung einhergehende Pflichtverletzung des Betriebsrats betreffe lediglich die Rechtsbeziehungen zwischen Unternehmen und Betriebsrat, also das „Innenverhältnis“. Ein betriebsfremder Beisitzer der Einigungsstelle sei in seiner Stellung jedoch unabhängig und gerade nicht in die betriebsverfassungsrechtlichen Rechte und Pflichten der Betriebsparteien eingebunden. Einem betriebsfremden Beisitzer sei es deswegen im Regelfall auch weder möglich noch zumutbar, der Frage nachzugehen, ob der Betriebsrat bei der Bestellung gegen seine Pflichten verstoßen hat. Darüber hinaus würde eine Risikoverlagerung auf den Beisitzer die Funktionsfähigkeit der Einigungsstelle stark beeinträchtigen. Denn dadurch könnten sich Kandidaten für den Beisitz veranlasst sehen, das Mandat dann gar nicht erst anzunehmen.

Auch wenn sich diese Argumente im Grundsatz hören lassen, verbleibt im konkreten Fall ein fader Beigeschmack. Denn den beiden Rechtsanwälten muss klar gewesen sein, dass die Doppelbesetzung für den Betriebsrat keinen Mehrwert liefern würde und das Unternehmen lediglich mit unnötigen Kosten belastet. Es scheint, als hätten die beteiligten externen Berater ihre eigenen Geschäftsinteressen auf Kosten des Unternehmens durchsetzen wollen. Man darf insoweit gespannt sein, wie sich das Bundesarbeitsgericht im anhängigen Beschwerdeverfahren (Az. 7 ABR 52/17) zu diesem fragwürdigen Vorgehen positioniert.

Aber: Regressmöglichkeiten des Unternehmens

Doch auch wenn das Unternehmen mit der Beschwerde keinen Erfolg haben sollte, muss damit noch nicht das letzte Wort gesprochen sein. Denn – und das stellt das Landesarbeitsgericht Nürnberg ausdrücklich klar – bei einem rechtsmissbräuchlichen Verstoß des Betriebsrats gegen die Pflicht, das Unternehmen nicht mit unnötigen Kosten zu belasten, seien Regressansprüche gegen die handelnden Betriebsratsmitglieder denkbar. Beruht der Verstoß auf einer Falschberatung des Betriebsrats durch den beauftragten Rechtsanwalt, sollen auch Schadensersatzansprüche des Betriebsrats in Betracht kommen, die dieser an das Unternehmen abtreten könnte.

Streitigkeiten vorbeugen

Ein Regressprozess gegen den Betriebsrat bzw. den beauftragten Rechtsanwalt dürfte allerdings mit erheblichen rechtlichen Herausforderungen verbunden sein. Abhängig von den jeweils im Raum stehenden Summen dürfte sich häufig auch die Frage der Wirtschaftlichkeit stellen.

Daher sollten Unternehmen besser vorausschauend agieren und derartige Streitigkeiten möglichst bereits im Vorfeld vermeiden. Denkbar ist beispielsweise der Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung, um die Anzahl der Beisitzer insgesamt, aber auch aufgeteilt nach betriebsinternen und betriebsfremden Beisitzern festzulegen. Auch im Rahmen des gerichtlichen Einsetzungsverfahrens kann durch gerichtlichen Vergleich eine entsprechende Regelung getroffen werden. Und selbst wenn eine einvernehmliche Regelung zur Besetzung der Einigungsstelle nicht zustande kommen sollte: Das Unternehmen kann dann immer noch versuchen, im gerichtlichen Einsetzungsverfahren zumindest die Anzahl der Beisitzer – abhängig von Bedeutung und Umfang der zu regelnden Angelegenheit – möglichst gering zu halten.

Lesen Sie weiterführend auch den Beitrag von Stephanie Koch zu allgemeinen Grundsätzen der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers hinsichtlich der Betriebsratsarbeit.

KLIEMT.Arbeitsrecht




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