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Desk-Sharing: Schreibtisch verzweifelt gesucht?

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Desk-sharing

Innovative Arbeitsformen mit dynamischen Raum- und Nutzungskonzepten liegen im Trend. Die Vorteile von „Open Space“ & Co.: Durchlässigkeit und neue Kommunikationsmöglichkeiten anstelle von starren Sitzordnungen und abgeschotteten Teams. Mittels Desk-Sharing lassen sich zudem die Raumkapazitäten effizienter nutzen, was sich für das Unternehmen schnell in barer Münze auszahlen kann, weil insgesamt weniger Fläche benötigt wird. Doch können Mitarbeiter oder Betriebsrat einen Strich durch die Rechnung machen?

Was ist Desk-Sharing überhaupt?

Nicht bei allen Mitarbeitern erfreuen sich flexible Konzepte wie Desk-Sharing gleich großer Beliebtheit. Der Grund: Auf einen eigenen, fest zugeordneten Arbeitsplatz muss man verzichten und sich stattdessen zu Beginn der jeweiligen Arbeitszeit einen noch unbesetzten, freien Arbeitsplatz suchen. Dabei werden in der Regel weniger Arbeitsplätze vorgehalten, als Mitarbeiter in dem Bereich beschäftigt sind, z.B. 0,8 Schreibtische pro Vollzeitbeschäftigtem. Mancher fühlt sich da auf den ersten Blick an die „Reise nach Jerusalem“ erinnert.

Damit das Konzept funktioniert, muss zudem jeder den Schreibtisch am Ende seiner Arbeitszeit wieder vollständig aufräumen und Arbeitsmittel sowie persönliche Gegenstände anderweitig verstauen („Clean Desk Policy“). Auch dies mag mancher als Herausforderung empfinden.

Gleichwohl gilt: Einen Anspruch auf einen bestimmten „eigenen“ Schreibtisch gibt es aus arbeitsrechtlicher Sicht nicht. Denn das „Wie“ und „Wo“ der Arbeitsleistung ist Sache des Direktionsrechts und kann damit grundsätzlich einseitig vom Unternehmen vorgegeben werden. Allerdings kann der Betriebsrat bei der näheren Ausgestaltung des Desk-Sharings ein Wörtchen mitzureden haben.


Wann ist der Betriebsrat zu beteiligen?

Die Einführung von Desk-Sharing kann verschiedene Mitbestimmungsrechte auslösen. Wie ein aktueller Fall (LAG Düsseldorf vom 9. Januar 2018 – 3 TaBVGa 6/17) zeigt, kann der Betriebsrat insoweit versuchen, die Einführung gerichtlich – auch per einstweiliger Verfügung – zu stoppen.

Dies insbesondere, wenn etwa für das Buchen/Reservieren von Arbeitsplätzen eine IT-Plattform bereitgestellt wird. Allein die Möglichkeit, über die üblichen Login-Daten nachzuvollziehen, von welchem Arbeitsplatz sich der Mitarbeiter letztlich angemeldet hat, dürfte das Mitbestimmungsrecht hingegen oftmals noch nicht auslösen. Denn diese technische Möglichkeit besteht regelmäßig bereits auch ohne Desk-Sharing, so dass sich an den (theoretischen) Überwachungsmöglichkeiten nichts ändert.

Auch unter dem Aspekt des Gesundheitsschutzes kann sich ein Mitspracherecht des Betriebsrats ergeben. Insbesondere die Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung sind bei der Ausgestaltung des Desk-Sharings zu beachten. Allein mit der pauschalen Behauptung, durch eine gemeinsame Nutzung etwa von Computertastaturen und -mäusen sei die Hygiene gefährdet, kann die Einführung von Desk-Sharing jedoch nicht gestoppt werden. Im Zweifel ist zunächst im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung zu klären, inwieweit das Desk-Sharing vor Ort überhaupt konkrete Gefährdungen mit sich bringt.

Umstritten ist, ob Regelungen zum Desk-Sharing dem mitbestimmungspflichten Ordnungsverhalten oder dem mitbestimmungsfreien Arbeitsverhalten unterliegen. Erfreulich insoweit die Bewertung des LAG Düsseldorf, wonach das Desk-Sharing an sich in untrennbarem Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistung steht und insoweit mitbestimmungsfrei ist. Inwieweit dies auch für flankierende Verhaltensregeln gilt, ist von der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt. Je weitgehender das Regelwerk, welches der Arbeitgeber anlässlich der Nutzung von Desk-Sharing aufstellt, desto größer dürfte letztlich die Wahrscheinlichkeit sein, Mitbestimmungsrechte auszulösen.

Darüber hinaus ist nicht ganz auszuschließen, dass die Einführung von Desk-Sharing im Einzelfall sogar eine interessenausgleichspflichtige Betriebsänderung darstellen kann. Dies insbesondere unter dem Aspekt der Änderung von Betriebsanlagen – etwa im Zusammenhang mit Umbaumaßnahmen – oder der Einführung neuer Arbeitsmethoden.

Praxishinweis

In dem vom LAG Düsseldorf entschiedenen Fall konnte sich der Betriebsrat vor Gericht nicht durchsetzen. Dies zeigt, dass durchaus Spielräume bestehen. Einen Freifahrtschein für die einseitige Einführung von Desk-Sharing bedeutet dies jedoch keineswegs. Vielmehr sind Arbeitgeber gut beraten, im Vorfeld sorgfältig zu prüfen, ob die konkret geplanten Maßnahmen Mitbestimmungsrechte auslösen. Da es bislang noch an höchstrichterlicher Rechtsprechung fehlt, dürfte oftmals nach wie vor der sicherste Weg sein, den Betriebsrat frühzeitig ins Boot zu holen und eine Betriebsvereinbarung auszuhandeln.

Jörn-Philipp Klimburg LL.M.

Rechts­an­walt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Principal Counsel
Jörn-Philipp Klimburg berät deutsche und internationale Unternehmen sowie öffentlich-rechtliche Institutionen umfassend in allen Fragen des Arbeitsrechts. Schwerpunkte bilden die Gestaltung und Begleitung von Restrukturierungen, Outsourcing-Projekten und M&A-Transaktionen sowie die Vertretung in Arbeitsgerichtsprozessen. Besondere Expertise hat er zudem im Betriebsverfassungs- und Tarifvertragsrecht sowie im Bereich der Anstellungsverhältnisse von Vorständen und Geschäftsführern. Jörn-Philipp Klimburg ist bei KLIEMT.Arbeitsrecht verantwortlich in der Fokusgruppe "Whistleblowing und Compliance".
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