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Arbeitsrecht 4.0 Betriebsverfassung

Neue Entwicklungen bei der Online-Betriebsratswahl

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Betriebsratswahl, Online

Die Digitalisierung schreitet weiter voran. Auch im Rahmen von Online-Betriebsratswahlen gibt es neue Entwicklungen. Mit Blog-Beitrag vom 7. August 2017 hatten wir über den Beschluss des ArbG Hamburg zu einer Online-Betriebsratswahl berichtet, wonach eine teilweise elektronisch durchgeführte Betriebsratswahl für nichtig erklärt wurde (Beschluss vom 7. Juni 2017 – 13 BV 13/16). Gegen diesen Beschluss hat die Arbeitgeberin Beschwerde beim LAG Hamburg eingelegt. Das LAG Hamburg vertrat nunmehr eine differenzierte Auffassung (Beschluss vom 15. Februar 2018 – 8 TaBV 5/17). Wir stellen die kürzlich veröffentlichten Entscheidungsgründe im Folgenden dar und ordnen sie ein.

Worum ging es?

Im April 2016 fand im Betrieb der Arbeitgeberin eine Betriebsratswahl statt, welche neben der Präsenz- und Briefwahl auch eine Online-Wahl vorsah. Die Zugangsdaten zur Teilnahme an der Online-Wahl wurden den Wahlberechtigten per E-Mail übersandt. Die virtuellen Stimmzettel konnten sodann online ausgefüllt werden. Während es 740 gültige Brief- und Präsenz-Wahlstimmen gab, haben 628 Wahlberechtigte ihre Stimme online abgegeben.

Das ArbG Hamburg erklärte die Betriebsratswahl für nichtig, da sie (auch) mittels einer Online-Wahl und damit mit einem nicht von der Wahlordnung vorgesehenem Wahlverfahren durchgeführt worden sei. Dies verstoße in grober Weise gegen die Bestimmungen der Wahlordnung. Diese sehe neben der Präsenzwahl auch die Möglichkeit der schriftlichen Stimmabgabe in Form einer Briefwahl vor, nicht aber eine elektronische Stimmabgabe per Online-Wahl. Die Bestimmungen zur Briefwahl könnten auch nicht dahin ausgelegt werden, dass eine Online-Wahl von ihnen erfasst sei. Der schwerwiegende Verstoß sei auch offensichtlich, da es für jedermann ohne weiteres erkennbar sei, dass die Wahlordnung keine Online-Wahl vorsehe. Die Betriebsratswahl sei daher nicht nur anfechtbar, sondern nichtig.


Die Entscheidung des LAG Hamburg

Aufgrund der eingelegten Beschwerde entschied das LAG Hamburg mit Beschluss vom 15. Februar 2018, dass die Betriebsratswahl zwar unwirksam, aber nicht nichtig war.

Online-Wahl nicht mit Wahlordnung vereinbar

Richtig sei, dass das Angebot einer Online-Wahl nicht mit der Wahlordnung zu vereinbaren ist. Weder das BetrVG noch die Wahlordnung erwähnen die Online-Wahl. Für eine Auslegung jenseits des Wortlauts einer Rechtsnorm müssten weitere Indizien deutlich belegen, dass ihr Sinn im Text unzureichend Ausdruck gefunden hat. Hiervon könne vorliegend keine Rede sein.

Aufgabe des Gesetzgebers

Die Zulassung oder Nichtzulassung der Online-Betriebsratswahl sei eine rechtspolitische Entscheidung, bei der Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen sind. Da Betriebsräte derzeit auch ohne Online-Wahl wirksam gewählt werden, sei die Online-Wahl nicht zwingend erforderlich. Es sei daher vielmehr Aufgabe des Gesetzgebers, über eine eventuelle Anpassung der Wahlordnung zu entscheiden. Die Gerichte seien nicht befugt, diese Entscheidung an sich zu ziehen.

Anfechtbarkeit aber keine Nichtigkeit der Wahl

Das Angebot der Online-Wahl habe sich im vorliegenden Fall auch auf das Ergebnis der Betriebsratswahl ausgewirkt, da unstreitig 628 Wahlberechtigte ihre Stimme online abgegeben hatten. Aufgrund der Anfechtung sei die Betriebsratswahl daher unwirksam. Allerdings sei die Online-Wahl nicht nichtig. Denn nach ständiger BAG-Rechtsprechung sei eine Betriebsratswahl nur nichtig bei groben und offensichtlichen Verstößen gegen wesentliche Grundsätze des gesetzlichen Wahlrechts, die so schwerwiegend sind, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr bestehe. Wegen der weitreichenden Folgen einer von Anfang an unwirksamen Betriebsratswahl kann deren jederzeit feststellbare Nichtigkeit nur bei besonders gravierenden Wahlverstößen angenommen werden. Eine Nichtigkeit komme nur in Betracht, wenn der Anschein einer demokratischen Willensbildung fehle.

Kein Fehlen des Anscheins einer demokratischen Willensbildung

Allein wegen des Angebots der Online-Wahl lägen die Voraussetzungen der Nichtigkeit nicht vor. Zwar sei der Fehler aufgrund der eindeutigen Gesetzeslage und Auffassung in der Literatur, wonach – soweit ersichtlich – niemand eine Online-Wahl nach geltendem Recht für zulässig erachte, offensichtlich. Dennoch fehle der Wahl allein wegen der Option der Online-Stimmabgabe nicht von vornherein der Anschein einer demokratischen Willensbildung. Selbst wenn man unterstelle, dass Manipulationen bei Anwendung eines Online-Tools leichter verschleiert werden können als im normalen Wahlverfahren, ergäbe sich daraus nicht, dass Online-Wahlen regelmäßig manipuliert werden.

Online-Wahlverfahren in anderen Ländern

Nach Auffassung des LAG Hamburg spreche gegen das Fehlen eines Anscheins demokratischer Willensbildung auch, dass Online-Wahlverfahren in anderen demokratischen Ländern für staatliche Wahlen in Betracht gezogen werden.

Fazit

Eine elektronische Stimmabgabe kann gerade in größeren Betrieben mit mehreren Standorten ein kostengünstiger und effizienter Weg einer Betriebsratswahl sein. Das LAG Hamburg hat zwar entschieden, dass eine Online-Wahl nicht zur Nichtigkeit führt, wohl aber zur Anfechtbarkeit. Während bei der jederzeit feststellbaren Nichtigkeit der Betriebsrat zu keiner Zeit existiert hätte, wirkt die fristgebundene (zwei Wochen) Anfechtung der Wahl nur für die Zukunft, so dass die Handlungen des Betriebsrats wirksam bleiben. Das letzte Wort ist hier allerdings noch nicht gesprochen. Denn gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das LAG Hamburg wurde mittlerweile Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, welche unter dem Aktenzeichen 7 ABN 50/18 beim BAG anhängig ist. Insbesondere ist der Verweis des LAG Hamburg auf Online-Wahlverfahren in anderen demokratischen Staaten verwunderlich. Denn insoweit kann es nicht auf die Rechtslage in anderen Ländern ankommen, sondern nur auf die in Deutschland. Unabhängig vom Ausgang dieses Verfahrens und der jahrelangen Diskussion in der Literatur, dass der Gesetzgeber eine Online-Betriebsratswahl einführen sollte, lässt die derzeitige Rechtslage im BetrVG und in der Wahlordnung Online-Wahlen nicht zu. Damit ist nach wie vor der Gesetzgeber am Zug. Erst dann können Betriebe in Deutschland risikolos Online-Betriebsratswahlen durchführen.

Dr. Alexa Paehler, LL.M.

Rechtsanwältin
Fach­an­wäl­tin für Arbeitsrecht
Principal Counsel
Alexa Paehler berät Arbeitgeber schwerpunktmäßig bei Kün­di­gungs­rechts­strei­tig­kei­ten, zu Organverhältnissen (Geschäfts­füh­rer/Vorstände), kollektivarbeits­recht­li­chen Fragen sowie zu Unter­neh­mens­käufen.
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