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Arbeitsvertrag Dienstwagen

Wie gewonnen, so zerronnen? Widerruf von Dienstwagennutzung „aus wirtschaftlichen Gründen“?

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Dienstwagen

Nicht selten werden Arbeitnehmern in ihrem Arbeitsvertrag Dienstwagen auch zur Privatnutzung überlassen. Wie verhält es sich aber, wenn das Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage gerät und die Privatnutzung einschränken oder ganz entziehen will. Häufig versuchen Arbeitgeber Streitigkeiten mit einem Widerrufsvorbehalt „aus wirtschaftlichen Gründen“ oder „aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens“ vorzubeugen. Ob solche Klauseln wirksam sind, wird auch nach der Grundsatzentscheidung des BAG vom 12. Januar 2005 kontrovers diskutiert. Mit dieser Frage hatte sich auch das LAG Niedersachsen in einem jüngeren Urteil vom 28. März 2018 (13 Sa 304/17) zu beschäftigen.

Rahmenbedingungen

Die Anforderungen an einen Widerrufsvorbehalt hat das BAG (5. Senat) in seiner Grundsatzentscheidung vom Januar 2005 (5 AZR 364/04) formuliert und seitdem in ständiger Rechtsprechung vertreten. Durch den im Arbeitsvertrag verankerten Widerrufsvorbehalt beansprucht der Arbeitgeber für sich, einseitig die dem Arbeitnehmer zugesagte Leistung herabzusetzen oder ganz zu entziehen. Unter der Voraussetzung einer – regelmäßig zu unterstellenden – Allgemeinen Geschäftsbedingung richtet sich die Wirksamkeit eines Widerrufsvorbehalts daher nach einer verschärften AGB-Kontrolle anhand § 308 Nr. 4 BGB unter Heranziehung der Wertungen des § 307 BGB und angemessener Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten über § 310 Abs. 4 S. 2 Halbs. 1 BGB. Danach muss der Vorbehalt unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen auch dem Arbeitnehmer zumutbar sein.

Formelle Anforderungen an den Widerrufsvorbehalt

Formell verlangt das BAG, dass es (sachliche) Widerrufsgründe gibt und diese im Klausel-Text selbst klar und verständlich aufgeführt werden, d.h. die Widerrufsmöglichkeit als solche, ihre Voraussetzungen und der Umfang der vorbehaltenen Änderungen müssen für den Arbeitnehmer deutlich erkennbar sein. Für die Widerrufsgründe müsse neben der Richtung, aus der der Widerruf möglich sein soll (z.B. wirtschaftliche Gründe), auch der Grad der erforderlichen Störung konkretisiert werden.

Mit Urteil vom April 2010 hat das BAG (9. Senat) dann später für Dienstwagenüberlassungsverträge festgestellt, dass ein Firmenfahrzeug und die damit verbundene private Nutzungsmöglichkeit dem Arbeitnehmer nicht „aus wirtschaftlichen Gründen“ wieder entzogen werden dürfe, da nicht jeder Grund, der wirtschaftliche Aspekte betrifft, ein anzuerkennender Sachgrund für einen Widerruf sei. Insbesondere sei es für Arbeitnehmer typisierend betrachtet unzumutbar, die Entziehung aus wirtschaftlichen Gründen hinzunehmen, wenn der Dienstwagen für die auszuübende Tätigkeit gebraucht wird und kostengünstigere Alternativen nicht vorhanden seien. In einer jüngeren Entscheidung vom 24. Januar 2017 hat das BAG (1. Senat) aber den Widerruf von Weihnachtsgeld für den „Fall der wirtschaftlichen Notlage“ für formell wirksam angesehen, da der Anwendungsfall bereits auf eine Ausnahmesituation beschränkt und damit klar genug umrissen sei.

Inhaltliche Grenzen von Widerrufsvorbehalten

In materiell-rechtlicher Hinsicht wird insbesondere verlangt, dass der Widerruf dem Arbeitnehmer auch nach Art und Höhe der zu widerrufenen Leistung zumutbar ist, wofür der im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende widerrufliche Teil des Gesamtverdienstes (Nutzungsmöglichkeit) unter 25 % liegen müsse.

Urteil des LAG Niedersachen vom 28. März 2018 – 13 Sa 304/17

In dem vom LAG Niedersachsen zu entscheidenden Fall war die Nutzung eines auch zum Privatgebrauch überlassenen Dienstwagens zugunsten eines nur für dienstliche Zwecke nutzbaren Fahrzeugpools nach aufeinanderfolgenden negativen Bilanzen widerrufen worden. Indem Arbeitsvertrag des Klägers, der den Dienstwagen im Rahmen von mehrere Tage oder Wochen am Stück dauernden Projektaufenthalten lediglich zur Anreise zu Gas- und Ölborstellen benötigte, hatte sich das Unternehmen den Widerruf ohne weitere Konkretisierung „aus sachlichen Gründen, insbesondere aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens“, vorbehalten, „sofern dies dem Arbeitnehmer zumutbar“ sei.

Zunächst wiederholt das LAG Niedersachsen die bekannte Formel des 5. Senats, wonach zumindest die Richtung angegeben werden muss, aus der der Widerruf möglich sein soll, und auch der Grad der Störung konkretisiert werden müsse. Zudem bestätigt es auch die für den Widerruf der Privatnutzungsmöglichkeit eines Dienstwagens festgelegten Einschränkungen des 9. Senats, wonach jedenfalls „wirtschaftliche Gründe“ als solche nicht ausreichend seien und die Entziehung jedenfalls dann unzumutbar sei, wenn der Dienstwagen für die auszuübende Tätigkeit gebraucht würde und kostengünstigere Alternativen (Mietwagen, Fahrzeugpool) nicht vorhanden seien. Diesem Transparenzgebot genüge die verwendete Widerrufsklausel nicht, da insbesondere unklar bliebe, ob eine wirtschaftliche Notlage des Unternehmens, Verluste oder aber bereits ein Gewinnrückgang, rückläufige Umsätze oder ein Nichterreichen der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens gemeint sein sollten. All dies in der Widerrufsklausel zu konkretisieren, sei der Beklagten aber zumutbar gewesen. Eine hinreichende Konkretisierung sei auch nicht dadurch erfolgt, dass die Klausel den Entzug des Dienstwagens nur erlaubt habe, „sofern dies dem Arbeitnehmer zumutbar“ sei.

Fazit

Im Ergebnis ist die Entscheidung des LAG Niedersachen wenig überraschend. Sie liegt auf einer Linie mit der des BAG vom 13. April 2010 und sorgt insoweit für Kontinuität. Interessant ist aber, dass man bei der Lektüre der Entscheidung den Eindruck gewinnt, dass sich das LAG Niedersachsen schwertun würde, eine „wirtschaftliche Notlage“ nicht als Widerrufsgrund zu akzeptieren. Aufhorchen lässt aber, dass unklar bleibt, ob das LAG auch eine Nennung der weiteren vom 9. Senat aufgestellten Einschränkungen für (kumulativ) erforderlich hält, wie es sich zumindest für die Verknüpfung der Tätigkeit/Position mit der Dienstwagenüberlassung regelmäßig in Formularbüchern wiederfindet, oder ob eine „wirtschaftliche Notlage“ per se ausreichend sein soll. Das LAG brauchte diese Frage nicht zu klären und geht auf diesen Punkt nicht näher ein. Vieles spricht indessen dafür. Daher sollte hierzu ebenso sicherheitshalber ein entsprechender Passus in den Klausel-Text aufgenommen werden, wie auch zur 25%-Grenze als unantastbarem Kernbereich des Gesamtverdienstes.

Beachtenswert ist schließlich, dass der Arbeitsvertrag des Klägers aus dem Jahr 2011 und damit aus einer Zeit stammt, zu der das BAG die Spielregeln für Dienstwagenüberlassungsverträge bereits festgelegt hatte. Dies zeigt einmal mehr, dass Arbeitgeber gut beraten sind, Dienstwagenüberlassungsverträge mit privater Nutzungsmöglichkeit intervallmäßig auf ihre Wirksamkeit hin überprüfen zu lassen.

KLIEMT.Arbeitsrecht




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