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Das neue Geschäftsgeheimnisgesetz: To-dos für Arbeitgeber

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 Know-how ist die Währung der wissensbasierten Wirtschaft und schafft Wettbewerbsvorteile für Unternehmen. Für dessen besseren Schutz sorgt nun das neue Geschäftsgeheimnisgesetz. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 26. April 2019 kommt es zu wichtigen Änderungen im Know-how-Schutz: Unternehmen müssen künftig aktiv werden, um den Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse zu gewährleisten. Das neue Gesetz verlangt, dass „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“ ergriffen werden, damit schützenswertes Know-how auch tatsächlich den gesetzlich vorgesehenen Schutz genießt. Welche Anforderungen das neue Gesetz insbesondere an Arbeitgeber stellt, haben wir für Sie zusammengefasst.

Was ist neu?

Mit einiger Verspätung – die Umsetzungsfrist der zugrunde liegenden EU-Richtlinie 2016/943 lief bereits letztes Jahr am 9. Juni 2018 ab – trat am 26. April 2019 das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) in Kraft. Der bisher nur vereinzelt gesetzlich geregelte Schutz von Geschäftsgeheimnissen (bisher vor allem in den §§ 17-19 UWG) und der richterrechtlich geformte Geheimnisbegriff wird nun in einem Spezialgesetz zusammengefasst und konkretisiert.

Unternehmen können nach dem neuen GeschGehG wie zuvor gegen unerlaubte Erlangung, Nutzung oder Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen vorgehen; bei schweren Verstößen drohen weiterhin strafrechtliche Konsequenzen. Neu ist jedoch die viel diskutierte Privilegierung für Hinweisgeber („Whistleblower“), die Gestattung des sogenannten „Reverse Engineering“, die gesetzliche Konkretisierung der einzelnen Ansprüche, sowie spezielle Verfahrensvorschriften, die die Geheimhaltung im gerichtlichen Verfahren sicherstellen, und der nun erstmals gesetzlich definierte – und im Vergleich zur bisherigen Rechtslage geänderte! – Begriff des Geschäftsgeheimnisses. Die neue Definition enthält ein bisher im deutschen Recht nicht vorhandenes Kriterium: das Vorliegen angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen durch den Geheimnisinhaber. Unternehmen müssen nun aktiv werden, damit ihr schützenswertes Know-how vom Schutz des neuen Gesetzes profitiert. Arbeitgeber haben dafür mehrere Möglichkeiten und sollten insbesondere auch ihre arbeitsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten nutzen, damit ihre Geschäftsgeheimnisse tatsächlich so weit wie möglich geschützt werden.

Was ist ein Geschäftsgeheimnis?

Typischerweise werden hierzu zum Beispiel Herstellungsverfahren, Kunden- und Lieferantenlisten, Kosteninformationen, Geschäftsstrategien, Unternehmensdaten, Marktanalysen, Prototypen, Formeln und Rezepte zählen. Doch nicht jedes Herstellungsverfahren oder ähnliches, die unternehmensintern als vertraulich bezeichnet wird oder dafür gehalten wird, fällt notwendigerweise unter den neuen Begriff des Geschäftsgeheimnisses.

Ein Geschäftsgeheimnis ist nach der neuen Definition des § 2 Abs. 1 Nr. 1 des GeschGehG eine Information, die alle nachfolgenden Kriterien erfüllt:

  1. Sie ist den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich.
  2. Weil sie geheim ist, besitzt sie wirtschaftlichen Wert.
  3. Die Information ist Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch den rechtmäßigen Inhaber.
  4. Es besteht ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung.

Mit der Einführung des Kriteriums „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“ müssen Unternehmen diese nun proaktiv schützen. Nur dann greift der gesetzlich vorgesehene Schutz und gibt dem Geheimnisinhaber Abwehrrechte auf z.B. Beseitigung oder Unterlassung der Beeinträchtigung und/ oder Schadensersatzansprüche. Nach der bisherigen Rechtslage reichte ein subjektiver Geheimhaltungswille statt dem zukünftig geltenden Ergreifen (objektiver) Geheimhaltungsmaßnahmen aus, an den keine hohen Anforderungen gestellt wurden. Es genügte der Rechtsprechung mitunter sogar, wenn sich dieser Wille aus der Natur der geheim zu haltenden Tatsache ergab. Diese Änderung des Geheimnisbegriffs wird einhellig – so auch in der Gesetzesbegründung der Bundesregierung – als Verschärfung der Anforderungen des Geheimnisschutzes verstanden.

Ausnahmen vom Geheimnisschutz

Das GeschGehG regelt jedoch auch Ausnahmen, bei deren Vorliegen die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses nicht verboten ist. Die im Vorfeld am heißesten diskutierte Ausnahme sieht vor, dass Hinweisgeber („Whistleblower“) keine Konsequenzen zu fürchten haben, wenn die Preisgabe des Geschäftsgeheimnisses „zur Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung oder eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens erfolgt und dies geeignet ist, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. In welchen Fällen diese unscharfe Formulierung greifen soll und ob Arbeitnehmer sich trotz genereller Loyalitätspflichten gegenüber ihren Arbeitgebern direkt an die Öffentlichkeit wenden müssen, wird sich letztlich noch zeigen müssen. Jedenfalls dann, wenn eine innerbetriebliche Abhilfe möglich oder zumutbar ist, dürfte der Ausnahmetatbestand nicht ohne weiteres greifen.

Überdies ist Arbeitnehmern nun auch die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen gegenüber dem Betriebsrat gestattet, wenn dies zur Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist. Ebenso ist die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung eines Geheimnisses nicht verboten, wenn sich die das Geschäftsgeheimnis offenlegende Person auf das Recht zur freien Meinungsäußerung, der Informationsfreiheit oder auf die Pressefreiheit berufen kann.

Und ausdrücklich erlaubt ist jetzt ferner auch die Entschlüsselung von Geschäftsgeheimnissen aus Produkten selbst durch Beobachten, Untersuchen, Rückbauen oder Testen eines Produkts, das sogenannte „Reverse Engineering“. Dies war nach der Rechtsprechung bisher nur dann der Fall, wenn dazu jeder Fachmann ohne größeren Zeit-, Arbeits- und Kostenaufwand zur Ableitung des Geschäftsgeheimnisses in der Lage war. Die Möglichkeiten zum Reverse Engineering werden mit dem GeschGehG damit erweitert.

Allerdings befreit das GeschGehG den Whistleblower nicht davon, bei einer fehlerhaften Einschätzung der Situation (d.h. bei Nichtvorliegen einer der vorgenannten Ausnahmen) dem Geheimnisinhaber Schadensersatz für dessen materielle und immaterielle Schäden leisten zu müssen. Das Berufen auf die Ausnahmen für Whistleblower ist damit nicht ungefährlich.

Welche Maßnahmen müssen nun ergriffen werden?

Um ihre Geschäftsgeheimnisse entsprechend zu schützen, können Unternehmen verschiedene Maßnahmen ergreifen. In Frage kommt dafür technischer, organisatorischer und vertraglicher Know-how-Schutz. Welche Arten von Geheimhaltungsmaßnahmen konkret erfolgen müssen, hängt von der Art des Geschäftsgeheimnisses im Einzelnen und der konkreten Nutzung ab. Die Gesetzesbegründung zum GeschGehG verweist dafür beispielhaft insbesondere auf vertragliche Sicherungsmechanismen.

Arbeitsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten

Vertragliche Sicherungsmechanismen lassen sich arbeitsrechtlich auf mehreren Wegen umsetzen: Bereits im Arbeitsvertrag kann eine Verschwiegenheitsverpflichtung aufgenommen werden bzw. sollte, falls vorhanden, deren Wirksamkeit überprüft werden. Häufig sind diese Klauseln nach dem Motto „Viel hilft viel“ jedoch sehr allgemein gehalten und erfassen alle erdenklichen geschäftlichen Belange. Solche sogenannten „catch-all“-Klauseln sind nach der Rechtsprechung jedoch unwirksam und sollten ersetzt werden. Auch der Abschluss von Verschwiegenheitsvereinbarungen (Non-Disclosure Agreements) mit den Know-how-Trägern im Unternehmen kann sinnvoll sein. Zwar besteht grundsätzlich eine Verschwiegenheitsverpflichtung im bestehenden Arbeitsverhältnis. Jedoch kann eine gesonderte vertragliche Vereinbarung das Bewusstsein über das Bestehen und die Reichweite dieser Verpflichtung schaffen. Zudem kann diese für den Zeitraum nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch die Nutzung konkret bezeichneter Geschäftsgeheimnisse durch den Arbeitnehmer selbst ausschließen. Ohne eine vertragliche Regelung könnte der Arbeitnehmer diese nämlich zumindest für seinen eigenen Nutzen verwenden. Hierbei sollte darauf geachtet werden, nicht die Grenze zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot zu überschreiten, da sonst die Unwirksamkeit der Verschwiegenheitsverpflichtung droht. Solche nachvertraglichen Wettbewerbsverbote können zwar ebenfalls eine sinnvolle Know-how-Schutzmaßnahme darstellen, müssen jedoch um verbindlich zu sein eine Entschädigung vorsehen, sowie die weiteren Grenzen der §§ 74 ff. HGB beachten.

Arbeitgeber sollten die Einführung des GeschGehG nutzen und ihren Know-how-Schutz – insbesondere ihre vertraglichen Sicherungsmechanismen – einer kritischen Prüfung unterziehen und gegebenenfalls weitere Geheimhaltungsmaßnahmen treffen.

 

 

 

 

KLIEMT.Arbeitsrecht




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