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Aufhebungsvertrag Kündigung, allgemein

Aufhebungsvertrag: Steuerliche Privilegierung der Abfindung nur bei Druck- oder Zwangssituation?

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Steht eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Diskussion, ist eine erfolgreiche Einigung von verschiedenen Faktoren abhängig. Von erheblicher Bedeutung für das Gelingen einer Einigung ist dabei oftmals die Zusage einer Abfindungszahlung durch den Arbeitgeber. Wurde vor dem Abschluss des Aufhebungsvertrages keine arbeitgeberseitige Kündigung ausgesprochen und drohte ein solcher Ausspruch auch nicht, stellt sich bei der steuerlichen Behandlung der Abfindung die Frage, ob diese ermäßigt zu besteuern ist.

Ermäßigter Steuersatz für Entschädigungen als außerordentliche Einkünfte

Nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 24 Nr. 1 a) EStG unterliegen Entschädigungen als außerordentliche Einkünfte einem besonderen ermäßigten Steuersatz. Eine Entschädigung nach § 24 Nr. 1 a) EStG wird als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) setzt eine Entschädigung in diesem Sinne voraus, dass der Ausfall der Einnahmen entweder von dritter Seite veranlasst wurde oder, wenn er vom Steuerpflichtigen selbst oder mit dessen Zustimmung herbeigeführt worden ist, dass dieser unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck stand. Der Steuerpflichtige darf das schadenstiftende Ereignis nicht aus eigenem Antrieb herbeigeführt haben.

Der BFH hatte bereits im Jahr 2016 (Urteil v. 23.11.2016 – X R 48/14) die Frage aufgeworfen, ob er im Rahmen des § 24 Nr. 1 a) EStG an dem Erfordernis der Druck- oder Zwangssituation festhalten möchte. Dieses Tatbestandsmerkmal ergebe sich weder aus dem Wortlaut des § 24 Nr. 1 a) EStG noch gebe es einen Anknüpfungspunkt dafür in der Vorschrift des § 34 EStG. Letztlich hat der erkennende Senat die Frage jedoch offen gelassen.

Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 13.3.2018 (IX R 16/17)

Auch eine Entscheidung des BFH vom 13.3.2018 (IX R 16/17) lässt weiterhin offen, ob an dem Erfordernis der Druck- oder Zwangssituation bei Zahlung einer Abfindung im Rahmen eines Über-/Unterordnungsverhältnisses festzuhalten ist. Erfreulicherweise hat der Senat jedoch die Anforderungen, die an das Vorliegen einer solchen Druck- oder Zwangssituation zu stellen sind, näher erläutert und praxisnah umgesetzt. Der Senat geht zutreffender Weise davon aus, dass bei einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Zahlung einer Abfindung ein Arbeitnehmer in der Regel die Auflösung seines Arbeitsverhältnisses nicht allein aus eigenem Antrieb herbeigeführt habe. Ansonsten bestünde für den Arbeitgeber keine Notwendigkeit, überhaupt eine Abfindung an den Arbeitnehmer zu zahlen. Stimme der Arbeitgeber der Zahlung einer Abfindung zu, könne in der Regel angenommen werden, dass dazu auch eine rechtliche Veranlassung bestehe. Daher könne, so der Senat, ohne weiteres auch angenommen werden, dass der Arbeitgeber zumindest auch ein erhebliches eigenes Interesse an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses hatte. Dass der Arbeitnehmer unter solchen Umständen bei Abschluss des Vertrages über die Auflösung seines Arbeitsverhältnisses unter einem nicht unerheblichen tatsächlichen Druck stand, bedürfe dann keiner weiteren tatsächlichen Feststellungen mehr.

Fazit

Das Urteil des BFH sollte in Zukunft zu mehr Rechtssicherheit führen, auch wenn die grundsätzliche Frage zu den Voraussetzungen der Gewährung der Steuerermäßigung (Druck- oder Zwangssituation erforderlich?) vom BFH weiterhin offen gelassen wurde. Die Finanzämter dürften Arbeitnehmern im Falle einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Steuervorteil ohne weitere Prüfung einer Druck- oder Zwangssituation gewähren, wenn eine Abfindung vom Arbeitgeber gezahlt wurde. Dadurch werden Aufhebungsvertragsverhandlungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien zukünftig zumindest hinsichtlich der steuerrechtlichen Folgen weniger problematisch.

KLIEMT.Arbeitsrecht




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