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Wettbewerb

Die Rechnung kommt zum Schluss – Unwirksamkeit von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten mit GmbH-Geschäftsführern

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Im Gegensatz zu Arbeitnehmern werden mit Organmitgliedern in ihrem Anstellungsvertrag nicht selten unternehmensbezogene nachvertragliche Wettbewerbsverbote vereinbart, wonach jede Tätigkeit für ein Wettbewerbsunternehmen verboten ist. Zur Wirksamkeit solcher Klauseln hat das OLG München (OLG München vom 2. August 2018 – 7 U 2107/18) in einem äußerst praxisrelevanten – jedoch bislang wenig beachteten – Beschluss wichtige Hinweise gegeben und letztlich deren Unwirksamkeit angenommen.

Rahmenbedingungen

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind nachvertragliche Wettbewerbsverbote für Organmitglieder grundsätzlich zulässig. Da die §§ 74 ff. HGB jedoch weder direkt noch entsprechend für Geschäftsführer anwendbar sein sollen, bestimmt sich ihre Wirksamkeit allein nach § 138 BGB i.V.m. Art. 12 GG.

Zweistufiger Prüfungsmaßstab für nachvertragliche Wettbewerbsverbote

Häufig wird dabei übersehen, dass der BGH bei der Zulässigkeit von Wettbewerbsverboten mit Organmitgliedern – ähnlich dem Wortlaut von § 74a Abs. 1 Satz 1 u. 2 HGB – einen zweistufigen Prüfungsmaßstab heranzieht: Danach muss für die Gesellschaft zunächst ein berechtigtes Interesse an der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots überhaupt bestehen (1. Stufe), bevor zum Schutz des Geschäftsführers vor einer unbilligen Erschwerung seines beruflichen Fortkommens nach seinem Ausscheiden eine Inhaltskontrolle anhand der zeitlichen, örtlichen und gegenständlichen Grenzen des Wettbewerbsverbots vorzunehmen sei (2. Stufe).

Ein Wettbewerbsverbot, das nicht den berechtigten Interessen der Gesellschaft dient und nach Ort, Zeit oder Gegenstand die Berufsausübung und wirtschaftliche Tätigkeit des Geschäftsführers unbillig erschwert, ist nach § 138 BGB grundsätzlich vollumfänglich nichtig.

Geltungserhaltende Reduktion

Eine geltungserhaltende Reduktion kommt mangels Anwendbarkeit des § 74a Abs. 1 HGB unter dem Gesichtspunkt der Teilnichtigkeit (§ 139 BGB) grundsätzlich nur bei einer auch nach dem Parteiwillen in mehrere voneinander unabhängige Teile zerlegbaren Klausel und selbst dann nur in engen Grenzen in Betracht. Dies wird etwa für eine Verkürzung einer überlangen zeitlichen Bindung auf eine kürzere angemessene Laufzeit und vereinzelt auch eine Einschränkung des örtlichen Geltungsbereichs angenommen. Eine geltungserhaltende Reduktion soll jedoch ausscheiden, wenn das Wettbewerbsverbot dem Gegenstand nach das zulässige Maß überschreite, da andernfalls der den Gerichten eingeräumte Gestaltungsspielraum überschritten würde (vgl. BGH vom 14. Juli 1997 – II ZR 238/96).

Im Fall der Verwendung vorformulierter Geschäftsführer-Dienstverträge finden zudem die §§ 305 ff. BGB einschließlich des „Verbots der geltungserhaltenden Reduktion“ Anwendung. Etwas abderes kommt lediglich dann in Betracht, wenn die Klausel in einen unwirksamen und einen verbleibenden wirksamen Teil trennbar wäre, der nach Streichung des abtrennbaren unwirksamen Teils noch sprachlich und inhaltlich verständlich bliebe (sog. „blue pencil test“).

Beschluss des OLG München vom 2. August 2018 – 7 U 2107/18

In dem vom OLG München zu entscheidenden Fall war einem GmbH-Geschäftsführer unter Zahlung einer Karenzentschädigung in Höhe eines halben Jahresfestgehalts verboten worden, „für die Dauer von einem Jahr nach Beendigung des Anstellungsvertrages weder in selbständiger noch unselbstständiger Stellung oder in sonstiger Weise für ein Konkurrenzunternehmen der Gesellschaft tätig zu werden“. Ferner war durch eine salvatorische Klausel geregelt, dass für den Fall einer aus dem Umfang oder zeitlichen Geltung folgenden Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots das rechtlich zulässige Maß gelten solle

Das OLG München entschied, dass ein gegenständlich derart weitreichendes Verbot nicht (mehr) durch ein berechtigtes Interesse der Gesellschaft gedeckt und deshalb nach § 138 BGB nichtig sei. Da jede Art von Tätigkeit für ein Wettbewerbsunternehmen erfasst sei, würden auch solche Tätigkeiten verboten, die keinen Bezug zur früheren Tätigkeit hätten und damit nicht durch ein berechtigtes Interesse der Gesellschaft gedeckt seien. Darunter falle nach dem Wortlaut zum Beispiel (sic!) auch eine Tätigkeit als Hausmeister. Die Höhe der Karenzentschädigung sei unerheblich.

Ein Bedürfnis nach einer entsprechend weiten Fassung der Klausel vermochte das OLG München auch zur Verhinderung von Umgehungsversuchen, namentlich durch eine pro forma Anstellung in untergeordneter Funktion bei gleichzeitiger Einbringung von Insiderwissen, nicht anzuerkennen. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung gelte vielmehr die Formel: Je „geringer“ die Position beim Wettbewerbsunternehmen sei, desto schwächer werde das Verhinderungsinteresse der Gesellschaft und umso stärker falle das durch Art. 12 GG geschützte Interesse des Geschäftsführers ins Gewicht, einer von ihm gewünschten Berufstätigkeit nachzugehen, bis dieses Interesse letztlich irgendwann auch die Umgehungsgefahr überwiege. Beim Hausmeister des Wettbewerbers – der ohne sich nach § 85 GmbHG strafbar zu machen ohnehin keine Geschäftsgeheimnisse offenbaren dürfe – sei dieser Punkt sicher erreicht.

Zwar verkenne der Senat nicht, dass der ehemalige Geschäftsführer nicht als Hausmeister, sondern als Organ eines klaren Wettbewerbers tätig werden wolle. Eine geltungserhaltende Reduktion bzw. Teilnichtigkeit nach § 139 BGB und Beschränkung auf das noch zulässige Maß komme aber nicht mehr in Betracht, wenn das vereinbarte Wettbewerbsverbot dem Gegenstand nach das zulässige Maß überschreite.

Dies gelte auch in Ansehung der von den Parteien aufgenommenen salvatorischen Klausel, wonach das rechtlich zulässige Maß des Wettbewerbsverbots gelten solle, wenn sich die Unwirksamkeit der Wettbewerbsklausel aus deren Umfang oder zeitlicher Geltung ergebe. Dabei handele es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung, die wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 305c Abs. 2 BGB) unwirksam und damit unbeachtlich sei. Nur der Vollständigkeit halber sei ergänzend darauf hinzuweisen, dass sei die Klausel auch nicht in einen unwirksamen und einen verbleibenden wirksamen Teil trennbar sei, der sprachlich und inhaltlich verständlich bliebe, so dass eine geltungserhaltende Reduktion auch nach allgemeinen Grundsätzen des AGB-Rechts scheitern würde.

Fazit

Die Entscheidung liegt auf der bisherigen Linie der bisherigen BGH-Rechtsprechung, wonach die §§ 74 ff. HGB auf Wettbewerbsverbote mit GmbH-Geschäftsführern weder direkt noch entsprechend anwendbar sind und gegenständlich zu weit gefasste Verbote im Sinne eines „Alles oder Nichts“ nicht nach § 74a Abs. 1 HGB auf das (noch) zulässige Maß reduziert werden können, sondern nach § 138 BGB grundsätzlich unwirksam sind.

Auch wenn die Frage der Anwendbarkeit der §§ 74 ff. HGB auf Geschäftsführer vor allem im Lichte der jüngeren Rechtsprechung des EuGH zum europäischen Arbeitnehmerbegriff und jüngerer Entscheidungen des BAG zum Status des GmbH-Fremdgeschäftsführers zu den weiterhin umstrittensten Themen im Spannungsfeld zwischen gesellschafts- und arbeitsrechtlicher Stellung des Geschäftsführers gehören dürfte, ist realistischer weise in naher Zukunft keine Grundlegende Änderung der Rechtsprechung zu erwarten. Daher sind die Verwender von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten weiterhin gut beraten, sich an den in der Zivilgerichtsbarkeit entwickelten Grundsätzen zu orientieren.

Bemerkenswert ist daher nicht nur Deutlichkeit, mit der das OLG München zur Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots gelangt, sondern sind auch die weiteren Ausführungen zur Unwirksamkeit der von den Parteien für diesen Fall vereinbarten salvatorischen Klausel. Denn als Folge der BGH-Rechtsprechung wird in der Kautelarpraxis regelmäßig eine geltungserhaltende Reduktion (salvatorische Klausel oder Verweises auf die §§ 74 ff. HGB bzw. § 74a HGB) vereinbart. Ob dies zulässig ist, hat der BGH bislang nicht entschieden und wird in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt (zustimmend etwa OLG Köln vom 5. Oktober 2000 – 12 U 62./00; ablehnend: vorliegend OLG München). Entscheidungen zu Verweisen auf § 74a HGB stehen – soweit ersichtlich –  bislang noch aus.

Für die Praxis verbleiben daher nach der Entscheidung des OLG München erhebliche Unsicherheiten. Ein Blick in die derzeit gängigen Formular-Bücher – in denen regelmäßig ähnliche Formulierungen Verwendung finden – bestätigt zudem ihre besondere Praxisrelevanz, da eine nicht unerhebliche Anzahl von „Altverträgen“ betroffen sein dürfte.

Es empfiehlt sich deshalb, auf die vertragliche Gestaltung von nachvertraglichen wettbewerbsverboten mit Organmitgliedern besondere Sorgfalt zu verwenden und diese möglichst auf Tätigkeiten zu beschränken, für die ein berechtigtes Interesse der Gesellschaft besteht bzw. unternehmensbezogene Wettbewerbsverbote sprachlich auf die Stellung als Organvertreter oder leitenden Angestellten zu beschränken oder mit einer Ausnahme für untergeordnete Tätigkeiten beim Wettbewerber ohne Bezug zur vorherigen Tätigkeit zu versehen. Inwieweit die sich hierdurch abzeichnende Kautelarpraxis vor allem unter Transparenzgesichtspunkten Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. Zudem kann nur dringend dazu geraten werden, Wettbewerbsverbote im Zweifel nicht als eine einzige, weit gefasste Verpflichtung zu formulieren, sondern einzelne Verpflichtungen – wie z.B. Kunden- bzw. Mandantenschutzklauseln – aneinander zu reihen und um einen vertraglichen Verweis zumindest auf § 74a Abs. 1 HGB zu ergänzen.

Schließlich zeigt die Entscheidung des OLG München einmal mehr, dass Gesellschaften gut beraten sind, nachvertragliche Wettbewerbsverbote laufend an die Vorgaben der Rechtsprechung anzupassen und intervallmäßig auf ihre Wirksamkeit hin überprüfen zu lassen.

KLIEMT.Arbeitsrecht




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