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„Freiwillig tut sich wenig, nur die feste Quote wirkt“ – Zwischenstand zur gesetzlichen Frauenquote

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Im Rahmen der Corona-Pandemie wird über den Rückfall in das klassische Rollenbild – die Frau zuhause bei den Kindern, der Mann arbeitet – diskutiert. Passend zu dieser Thematik haben Bundesfrauenministerin Giffey und Bundesjustizministerin Lambrecht den dritten und vierten jährlichen „Bericht zur Entwicklung des Frauen- und Männeranteils an Führungsebenen und in Gremien der Privatwirtschaft und des öffentlichen Dienstes (Pressemitteilung vom 10. Juni 2020)“ vorgestellt. Zusammenfassend stellen sie fest: „Freiwillig tut sich wenig, nur die feste Quote wirkt“.

Zwischenstand

Im Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung des Frauen- und Männeranteils an Führungsebenen hält das Familien- und Justizministerium Folgendes für die Privatwirtschaft fest: Der Frauenanteil in Aufsichtsräten der Unternehmen, die unter die feste Geschlechterquote fallen, ist weiter gewachsen. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes 2015 stieg der Frauenanteil in Aufsichtsräten von 25 % auf 32,5 % und im Jahr 2017 sowie in diesem Jahr sogar auf 35,2 %. Die feste Quote in Aufsichtsräten von 30 % findet nach der aktuellen Rechtslage gem. § 96 Abs. 2 AktG bei börsennotierten und mitbestimmten Unternehmen Anwendung.

Hingegen ist die sogenannte flexible Frauenquote bei börsennotierten oder mitbestimmten Unternehmen nach § 111 Abs. 5 AktG anzuwenden. Demnach müssen für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und im Vorstand jährlich Zielgrößen festgelegt und ein Zeitplan zur Umsetzung bestimmt werden. Dabei ergeben sich aus dem Gesetz keine Sanktionen, wenn die Zielgröße nicht erfüllt wird. Die Ziele müssen nur in den Lagebericht der Gesellschaft gem. § 289 HGB aufgenommen werden. Aus dem Bericht der Bundesregierung geht hervor, dass bei Unternehmen, die nicht unter die feste Quote fallen, der Anteil von Frauen im Aufsichtsrat bei lediglich 19,9 % liegt. Sogar noch geringer ist der Frauenanteil bei Vorständen. Im Jahr 2015 lag er bei 6,3 % und ist nur auf 7,7 % im Geschäftsjahr 2017 gestiegen. Für die Besetzung von Vorständen gibt es derzeit ebenfalls nur eine flexible Quote. Aus der Erhebung der Bundesregierung geht weiter hervor, dass 80 % der Unternehmen keine Frauen im Vorstand haben und etwa 70 % der Unternehmen sich die Zielgröße „0“ gesetzt haben.

Ausblick und aktuelle Gesetzesinitiative

Nach Ansicht von Bundesfrauenministern Giffey kommt man hier mit Freiwilligkeit nicht weiter, es bedürfe vielmehr politischen Drucks. In diesem Zusammenhang ist vor allem der bereits als inoffizieller Referentenentwurf vorliegende Gesetzestext zur Verschärfung der derzeitigen Regelung zur Geschlechterquote zu beachten. Der Referentenentwurf des zweiten Führungspositionsgesetzes (FüPoG II) vom 16.01.2020 sieht eine Verschärfung der Regelungen hinsichtlich der Einführung der Quote und der Sanktionsmöglichkeiten vor.

Grundsätzliches Ziel des Entwurfes ist, bei Unternehmen mit Aufsichtsräten die flexible in eine feste Frauenquote umzuwandeln, welche durch die Unternehmen schrittweise eingeführt werden muss. Geplant ist, einen flächendeckenden Frauenanteil in Aufsichtsräten von mindesten 30 % zu etablieren und auch in den jeweiligen Vorständen den Frauenanteil zu erhöhen. Die neue Fassung des derzeitigen Referentenentwurfes für § 111 Abs. 5 AktG sieht wie folgt aus:

  • „Der Aufsichtsrat von Gesellschaften, die börsennotiert sind der Mitbestimmung unterliegen, legt für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und im Vorstand Zielgrößen fest. Die Zielgrößen müssen die für den Aufsichtsrat und den Vorstand jeweils angestrebte Anzahl an Frauen und den angestrebten Frauenanteil an der Gesamtbesetzung beschreiben. Legt der Aufsichtsrat für den Aufsichtsrat oder den Vorstand die Zielgröße 0 fest, so hat er diesen Beschluss klar und allgemein verständlich zu begründen. Die Begründung muss ausführlich die Erwägungen darlegen, die der Entscheidung zugrunde liegen. Liegt der Frauenanteil der Festlegung der Zielgröße unter 30 %, so dürfen die Zielgrößen den jeweiligen erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Gleichzeitig sind die Fristen zur Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die Fristen dürfen jeweils nicht länger als 5 Jahre sein. Wenn für den Aufsichtsrat bereits das Mindestanteilsgebot nach § 96 Abs. 2 gilt, sind die Festlegungen nur für den Vorstand vorzunehmen. Gilt für den Vorstand das Beteiligungsgebot nach § 76 Abs. 3a, entfällt auch die Pflicht der Zielgrößensetzung für den Vorstand.“

Aus diesem neu gefassten § 111 AktG ergibt sich zum einen, dass der Frauenanteil in Vorständen und Aufsichtsräten sukzessive gesteigert werden soll, und dass die Zielgrößen einer sehr genauen Begründung bedürfen, insbesondere wenn die Größe „0“ festgesetzt wird. Zudem sollen die Sanktionen bei Verstößen verschärft werden. Der Referentenentwurf sieht gem. § 334 HGB Bußgelder in Höhe von bis zu EUR 50.000,00 vor. Inwieweit dieser Entwurf umgesetzt werden wird, ist derzeit nicht absehbar, die Ministerinnen Giffey und Lamprecht verfolgen jedoch die Umsetzung trotz der Corona-Pandemie laut Pressemitteilung vom 10.06.2020 noch in diesem Jahr, weswegen das im Referentenentwurf festgehaltene Datum des Inkrafttretens zum 01.05.2021 nicht vollkommen unrealistisch sei.

Praxishinweis

Für die Praxis bedeutet dies vor allem: Bei Umsetzung des Referentenentwurfs in seiner jetzigen Form werden mehr Unternehmen unter eine feste Frauenquote fallen bzw. die Zielgrößen müssen jedenfalls genauer begründet werden, insbesondere wenn der Frauenanteil unter der gewünschten Größe von 30 % liegt. In der praktischen Handhabung stellt sich dann vor allem folgende Frage: Wie lässt sich Mutterschutz, Elternzeit oder Pflegezeit mit dem Mandat im Vorstand oder Aufsichtsrat am besten vereinen? Dazu hat meine Kollegin Frau Dr. Jessica Jacobi in ihrem Beitrag „Mandatspause für Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft?“ bereits einige Ansätze aufgezeigt.

Jakob Friedrich Krüger

Rechtsanwalt

Counsel
Jakob F. Krüger berät nationale und internationale Unternehmen. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt in der Vorbereitung von Kündigungen und anschließender Prozessführung. Zudem berät er Mandanten in der Gestaltung von Anstellungs-, Aufhebungs- und Abwicklungsverträgen sowie zu Fragen des Betriebsverfassungsrechts. Jakob F. Krüger ist ein aktives Mitglied der International Practice Group für Data Privacy bei Ius Laboris, dem Zusammenschluss der international führenden Arbeitsrechtskanzleien, und berät häufig an der Schnittstelle zwischen Arbeitsrecht und Datenschutz, z.B. bei der Einführung von IT-Systemen. Aufgrund dieser Expertise ist er Mitglied der Fokusgruppe „Digitalisierung von Unternehmen“. Ferner unterstützt er die Entwicklung von Legal Tech Anwendungen als Mitglied des Innovation Teams.
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