Bei der Festlegung und Änderung der betrieblichen Entgeltordnung hat der Betriebsrat mitzubestimmen (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG). Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt, wie vielleicht mancher glauben mag. Die Kenntnis der Grenzen der Mitbestimmung sind gerade für einen Arbeitgeber wichtig, möchte er in aller Regel mit dem Betriebsrat nicht über Themen verhandeln, wenn er es nicht muss. Wird die Grenze jedoch falsch gezogen und das Mitbestimmungsrecht zu eng interpretiert, können einem Arbeitgeber (finanzielle) Nachteile entstehen.
Gegenstand des Mitbestimmungsrechts
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der betrieblichen Lohngestaltung ist umfassend und greift sowohl bei der erstmaligen Aufstellung als auch bei der Änderung von betrieblichen Entgeltordnungen und sonstigen Entlohnungsgrundsätzen. Hierbei ist es unerheblich, auf welcher Grundlage die betriebliche Entgeltordnung fußt, die nunmehr geändert werden soll. Erfasst sind außerdem alle vermögenswerten Leistungen des Arbeitgebers, die er als Gegenleistung für die von den Arbeitnehmer erbrachte Arbeit gewährt, ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung.
Dennoch muss der Betriebsrat nicht überall mitreden, nur weil es um das Arbeitsentgelt geht. Mitbestimmungsfrei ist insbesondere der sog. Geldfaktor. Es ist nämlich nicht Aufgabe des Betriebsrats, über die angemessene Höhe des Arbeitsentgelts mit zu entscheiden. Daher kann der Arbeitgeber festlegen, in welchem finanziellen Umfang er eine freiwillige Leistung erbringt. Ferner ist auch das arbeitsvertraglich vereinbarte Entgelt nicht vom Betriebsrat mitzubestimmen. Mit anderen Worten: Gegenstand des Mitbestimmungsrechts sind die abstrakt-generellen Grundsätze der Entgeltfindung, nicht jedoch die konkrete Entgelthöhe.
Grenzen der Mitbestimmung
Bei tarifgebundenen Arbeitgebern ist das Mitbestimmungsrecht der betrieblichen Lohngestaltung deutlich eingeschränkt. Die Aufgabe haben hier im Wesentlichen bereits die Tarifvertragsparteien übernommen. Die betriebliche Lohngestaltung bei einem tarifgebundenen Arbeitgeber beschränkt sich deshalb auf solche Leistungen, zu denen er nicht kraft Tarifvertrags verpflichtet ist (freiwillige Leistungen). Bei diesen freiwilligen Leistungen kann der Arbeitgeber über das Ob, den finanziellen Umfang, den Leistungszweck und damit auch den Kreis der Personen festlegen, für den die Leistung gedacht ist. Der Betriebsrat ist jedoch bei der Frage zu beteiligten, wie im Rahmen dieser arbeitgeberseitigen Vorgaben die einzelnen Leistungen zu berechnen sind und ihre Höhe im Verhältnis zueinander bestimmt werden soll. Dasselbe gilt im Übrigen auch bei der Änderung oder vollständigen Einstellung einer freiwilligen Leistung. So wie der Arbeitgeber alleine darüber entscheidet, ob er eine freiwillige Leistung erbringt, kann er mitbestimmungsfrei darüber entscheiden, ob er sie vollständig einstellt.
Einen etwas genaueren Blick erfordert die Kürzung der freiwilligen Leistung. Soll unter Beibehaltung der bisherigen Verteilungsgrundsätze lediglich die Höhe der freiwilligen Leistung für alle bisherigen Leistungsberechtigten gleichmäßig abgesenkt werden, besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Ein ungleichmäßiges Absenken oder auch eine partielle Streichung von freiwilligen Leistungen führt hingegen automatisch zu einer Änderung des bisherigen Verteilungsschlüssels und eröffnet das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.
Bei einem tarifungebundenen Arbeitgeber geht das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in Bezug auf Entgeltleistungen deutlich weiter. Zwar kann auch hier der Arbeitgeber auf kollektiver Ebene das gesamte Volumen der von ihm für die Vergütung der Arbeitnehmer bereitgestellten finanziellen Mittel festlegen und damit sämtliche Vergütungsbestandteile unter Beibehaltung des bisherigen Verteilungsplans einheitlich mitbestimmungsfrei absenken. Soll aber künftig – etwa bei Neueinstellungen – ein bestimmter Vergütungsbestandteil nicht mehr erbracht werden, ändert sich die Vergütungsstruktur automatisch. Dasselbe gilt, wenn der Arbeitgeber bestimmte Arbeitnehmer von einer Gehaltsanpassung ausnehmen möchte. Der Betriebsrat ist in solchen Fällen zu beteiligen.
Betriebliche Lohngestaltung und Mindestlohn
Die Zahlung von Mindestlohn tangiert das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hingegen nicht. Insbesondere ist der Arbeitgeber im Falle der Zahlung von Mindestlohn nicht verpflichtet, die Vergütung bestimmter Entgeltgruppen anzuheben, um die prozentualen Abstände zwischen den einzelnen Entgeltgruppen (solchen in denen Mindestlohn gezahlt wird und solchen in denen dies aufgrund der höheren Vergütung nicht notwendig ist) einer betrieblichen Entgeltordnung aufrecht zu erhalten. Dies bedeutet: Werden Gehaltsabstände in einer betrieblichen Entgeltordnung faktisch durch die Zahlung von Mindestlohn, der bereits in der Vergangenheit gestiegen ist und auch in der Zukunft steigen wird, verändert, werden hierdurch die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht verletzt. Über die betriebliche Entgeltordnung muss mit dem Betriebsrat hier also nicht verhandelt werden.
Mögliche Folgen unterbliebener Mitbestimmung und Praxishinweise
Kommt es bei Bestehen eines Mitbestimmungsrechts zu einer Abkehr von den bisherigen betrieblichen Lohngrundsätzen, ohne dass der Betriebsrat beteiligt wird, kann diesem ein Unterlassungsanspruch zustehen. Darüber hinaus kann es sein, dass er einer Eingruppierung eines neu eingestellten Arbeitnehmers in das mitbestimmungswidrig geänderte Entgeltsystem widerspricht. Daneben können auch Arbeitnehmer verlangen nach der bisherigen betrieblichen Entgeltordnung vergütet zu werden, solange über eine neue noch keine Vereinbarung mit dem Betriebsrat geschlossen wurde.
Vor diesem Hintergrund sollte der Arbeitgeber bei Änderungen des Entgelts immer kritisch prüfen, ob er sich im mitbestimmungsfreien oder im mitbestimmten Bereich bewegt. Ist letzteres der Fall, sollte auch stets überlegt werden, ob nicht auch eine mitbestimmungsfreie Gestaltung zu einem ebenfalls akzeptablen Ergebnis führen kann, insbesondere wenn die Entgeltordnung im Grunde nicht verändert werden soll. In jedem Fall sollte nicht vorschnell gehandelt werden und an irgendwelchen Schrauben der betrieblichen Entgeltordnung gedreht werden, in dem z.B. das Neue bereits mit Arbeitnehmern vereinbart wird. Es ist nämlich stets im Blick zu behalten, dass zumindest der Arbeitnehmer sich im Grundsatz auf die für ihn günstigere Regelung aus dem Arbeitsvertrag berufen kann, selbst wenn die Entgeltordnung nicht oder anders im Einvernehmen mit dem Betriebsrat geändert wird.